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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0170
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Franken

Behang von so hochstehender Qualität in Eichstätt entstanden ist, ohne Vorgänger hinter-
lassen zu haben. Anders liegt die Frage, ist der Walpurgateppich im Katharinenkloster auf
das Gezeug gelegt worden? Gegen die Annahme spricht die Eigenart der Farben, dafür der
typische Pflanzenwuchs, der seine Abstammung von der Flora des Katharinenlebens nicht
verleugnet, der sich in natürlicher Fortentwicklung weit naturalistischer gebärdet, der die
ganze verfügbare Fläche des Vordergrundes in üppiger Fülle überspinnt. Die Technik an
und für sich ist die für Nürnberg charakteristische. Die ältere Manier, die die Tönungen
unmittelbar nebeneinander setzt und durch weiche Mittelnuancen den Übergang zu erzielen
sucht, wird schüchtern ins Niederländische umgebogen; die Schraffen finden sich vorerst
selten und mit Vorsicht gesetzt. Typisch ist die fortentwickelte Form des Eichenlaubs mit
den schematisch eingefügten Früchten, die wiederum von dem tastenden Suchen nach Na-
turalismus zeugen. M. E. handelt es sich um eine klösterliche Arbeit Nürnbergs, die eine
alte Tradition voraussetzt.

Der Stil der Pleydenwurff und Wohlgemut, der sich in dem Behang ankündet, macht
sich in stärkerem Maße in dem Teppich mit dem Jüngsten Gericht — im Germanischen
Nationalmuseum — geltend, ein Behang der dem niederländischen Wirkereigebiet auch
insofern näher steht, als er die Form des Langlakens verläßt und sich dem flämisch-bra-
bantischen Hochformat anpaßt (Abb. 124, H. 2,42 m, L. 1,47 m). Das Material der sorg-
fältigen Arbeit (6 bis 7 Kettfäden) ist wie üblich Wolle und weißes Leinengarn. Das Mittel-
bild wird von einer regelrechten Bordüre gerahmt (Eichenlaub um den knotigen Stab) —
die obere Leiste ist abhanden gekommen —•, in den beiden unteren Eckquadraten er-
scheinen die Wappen der Nürnberger Familien Volkamer und Schürstab50). Das Welten-
gericht hebt sich mit schweren Farben — Dunkelblau, Rot, Weiß, Grün, Gelbweiß, Braun-
gelb — düster von dem schwarzblauen Grunde. Die Zeit der Entstehung dürfte um die
Mitte des 15. Jahrhunderts anzusetzen sein. Die von der Kunst Rogers van der Weyden
beeindruckten Köpfe lassen in einer Reihe von Einzelheiten die unmittelbare Abhängigkeit
von der Nürnberger Wirkerei seit den zwanziger Jahren erkennen. Charakteristisch sind
die riesigen dunklen Pupillen, die Zeichnung von Nase und Ohr. Der Einfluß der Nieder-
lande macht sich weniger in der Gewandmodellierung, als in der technischen Durchbildung
der Gesichter, die in weit stärkerem Maße Inkarnattöne einführt, in der Wiedergabe der
weichfließenden Haar- und Bartmassen, vornehmlich aber in der Lösung der Erdschollen,
denen die Leiber entsteigen, bemerkbar; sehr feine Hachurenlagen vermitteln hier den Über-
gang. Die Wahrscheinlichkeit liegt nahe, daß niederländische Wirkereien als Anregung —
nicht als Vorbild — dienten: an einen Brüsseler oder Oudenaarder Meister, der sich in
Nürnberg betätigte, ist kaum zu denken.

Dem „Jüngsten Gericht" schließt sich unmittelbar ein Fragment der Sammlung Dr. For-
rer-Straßburg an, der Rest eines Auferstehungsteppichs (H. 0,86 m, L. 0,53 m)51). Der Hei
land entsteigt dem Grabe, in der Linken das Siegeskreuz, die durchbohrte Rechte52) mah-
nend erhoben. In den Lüften schwebt ein Engel. Es handelt sich nicht um die gleiche,
wohl aber um eine nah verwandte Werkstatt. Zeigten die Engel des „Jüngsten Gerichts"
noch die zerfledderte, zerrissene Flügelbildung, ähnlich wie bei den Himmelsboten, die
St. Katharina zu Grabe legen, so ist das Gefieder des Engels in der Auferstehung wesent-
lich beruhigter.

Kehren wir zu dem Typ der Katharinenteppiche mit dem klar ausgesprochenen Rhyth-
mus zurück, so läßt sich zunächst hiermit eine Josephsgeschichte (Abb. 125a, H. 0,78 m,
L. 5,55 m) in der Öttingen-Wallersteinschen Sammlung auf Schloß Maihingen in Verbin-
dung bringen. Material (Wolle und weißes Leinengarn), Gefüge (6 bis 7 Kettfäden) und Auf-
bau (Einzelszenen, nicht ganz klar durch Säulchen getrennt und gegliedert, mit balkenarti-
gem Spruchband) sind im wesentlichen die gleichen, übereinstimmend sind Flora und tech

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