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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0265
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Erlangen (1 7.—1 8. Jahrhundert)

keine Wirker, sie üben ihr Handwerk im Sinne des heutigen Sprachgebrauches. Nicht an-
ders zu bewerten ist die Tätigkeit des Hoftapissiers Joh. Friedr. Ordnung, des Nachfolgers
des Andreas Ordnung; Vater und Sohn finden in den Hoch-Fürstlich-Brandenburg-Culm-
bachischen Adress- und Schreib-Calendern von 1739, bzw. von 1743 bis zu Ende der sech-
ziger Jahre (1766) Erwähnung. J. Fr. Ordnung erscheint noch 1781 in dem Hochfürstlichen
Brandenburg-Onolzbach- und Culmbachischen Genealogischen Calender und Adressbuch;
Anton Joseph Ebole arbeitet als Hilfskraft in den Jahren von 1750 bis 1758.

b) Erhaltene Arbeiten.

Die Erinnerung an das Atelier der Dechazaux bleibt lange im Volksbewußtsein lebendig;
noch jetzt ist den Einwohnern Erlangens das Schasserhaus wohlbekannt. Ein glücklicher
Zufall hat uns die wesentlichsten der von dem jüngeren Jean Dechazaux ausgeführten Fol-
gen in signierten Exemplaren erhalten. Eine vollständige Elementenserie birgt die alte
bischöfliche Residenz in Passau, das jetzige Landgericht72). Nach dem Übergabeverzeichnis
von 1803 waren verschiedene Räume mit mehr oder minder reich gewirkten Wandteppi-
chen ausgestattet. Den ehemaligen Audienzsaal, das jetzige Präsidialzimmer, schmücken
sechs Bildteppiche, die der Manufaktur des Jean Dechazaux —- signiert: I .D. CHAZAUX
A ERLANGEN — entstammen. Sie schildern die vier Elemente nach den Kartons von
Charles Le Brun — die Bordüre ist der „Erde" entlehnt —; den Raumabmessungen ent-
sprechend ist die Serie durch eine fünfte umfangreiche Wirkerei, „den Himmel" — Atlas
trägt das Planetarium, eine zweite Gestalt unterstreicht den Gedankengang, im Hinter-
grunde lagern Ruine und Tempelhalle — sowie den „Behang mit den Winden" nach unbe-
kanntem Vorbilde erweitert. Die Folge dürfte aus der Zeit um 1730—1735 stammen, sie
wurde unter Fürstbischof Joseph I. Dominikus v. Lamberg erworben (1723—1761)73).

Einen Behang der Groteskenreihe besitzt das Münchener Schloßmuseum (Abb. 227,
H. 3,21 m, L. 3,24 m). Von gelblichem Grunde erheben sich Grotesken, in matten Farben
gehaltenes Rankenwerk faßt die Nische mit dem Gotte. Die Arbeit ist ziemlich grob, die
Ausführung erinnert durchaus an die zeitgenössischen Arbeiten Aubussons. Die Signatur
nennt in der braunschwarzen Wirkerkante I. D. CHAZAUX A ERLANG als Erzeuger. Die
Bordüre verwendet die üblichen Blumenmotive.

Wesentlich lebhafter im Ton gibt sich ein zweiter, gleichfalls vollsignierter Teppich im
Münchener Schloßmuseum (Abb. 228). Der Behang kann sich nach Art und Güte der Aus-
führung durchaus mit den besseren Aubussonarbeiten messen. Im Vordergrunde vergnügt
sich der Hirt mit einem primitiven Musikinstrument, eine Magd melkt die Kuh. Bäume,
Gebüsch, blühendes Pflanzenwerk fassen die malerische Szene. Im Fond erhebt sich eine
bergige Landschaft, am Flusse lagert eine reiche Gartenanlage im Geschmacke Le Nötres
vor einem altertümlichen Schlosse. Girlanden und dekorative Ranken mit flatternden Bän-
dern fassen die Bordüre, eingestreute blühende Blumen erhöhen den farbigen Reiz.

Mit den erwähnten drei Serien dürfte der Vorrat der Folgen Dechazaux' bei weitem nicht
erschöpft sein. Es sind mir verschiedene unsignierte Behänge bekannt, die in Technik und
Auffassung stark mit den Erlanger Arbeiten zusammengehen. Immerhin ist bei der Zu-
schreibung derartiger Stücke äußerste Vorsicht geboten, sie können ebensogut einer der
zahlreichen Manufakturen von Aubusson, die zu dieser Zeit allerdings die blaue Wirker-
kante führen, als auch den Manufakturen von Schwabach, Hameln, Hannover, Berlin oder
Straßburg angehören.

Die seltene Gattung der Porträtwirkereien verkörpert das Bild des Geheimrates von Su-
perville im Landesmuseum zu Braunschweig (Abb. 229). Das Mittelschild des unteren Rah-
menteiles trug nach der liebenswürdigen Mitteilung von Herrn Dr. Ch. Scherer vor der vor

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