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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0276
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Würzburg (18. Jahrhundert)

erclerung, daß er dergleichen Costen anwieder gegen das Hochfürstl. Hochstift zu verdienen
gebunden sein solle und wolle".

Im Februar 1728 erwirkt Fichtel für seinen Schützling unter der gleichen Bedingung
einen weiteren Zuschuß von 100 Gulden. Juni 1728 erhält Pirot durch Vermittlung der
P. P. Societatis Jesu 9 Gulden rhein. ausgezahlt. Die Heimkunft Pirots erfolgt Ende 1728.
Pirot werden zu den Heimreisekosten 50 fl. rhein. „per wexel nacher Brüssel" überwiesen.
Am 13. November des gleichen Jahres ist Pirot in Würzburg angelangt; er bezieht in der
neuen Residenz Quartier und Verpflegung. Der junge Künstler beginnt nunmehr seine
Tätigkeit. Die fürstliche Hofkammer schärft ihm als sparsame Finanzbehörde vor allem
ein, den alten Vorrat an Material recht gründlich durchzusehen und vorsichtig zu ver-
wenden. Man scheint auch in anderen Dingen eine mitunter übel angebrachte Sparsamkeil
Pirot gegenüber betrieben zu haben. Er beschwert sich 1730, daß er mit 24 Batzen wöchent-
lich nicht leben könne. Er habe einen Kaminschirm als Probe gewirkt") und bitte ihn
„seinen Vorfahren (Vorgängern) gleich zu halten". Die Hofkammer kommt zu dem Er-
gebnis, daß dem Wirker unter Berücksichtigung der für seine Ausbildung gezahlten Sum-
men, außer den 24 Batzen wöchentlich als Kostgeld höchstens 24 Reichstaler, 3 Malter Korn
und 6 Eimer Wein jährlich zuzulegen seien100). Eine erneute Eingabe Pirots, ihm wenig-
stens die Besoldung des Thomas zu bewilligen, wird 1731 unter dem Hinweis abgelehnt,
daß er auf Staatskosten gelernt habe und außerdem lediglich an der Instandsetzung der
alten Hautelissen arbeite. Sobald er neue Wirkereien zu fertigen bekomme, werde man
ihn auch besser stellen, Pirot sucht (1732) den gestrengen Herren die Ausgaben etwas
schmackhafter zu machen, indem er darauf hinweist, daß Zöglinge des Juliushospitals
zweckmäßig in der Wirkerei ausgebildet werden könnten101). Der Betrieb ließe sich sehr
billig gestalten, da die Kinder Mittags und Abends in dem Spital essen, dort auch schlafen
würden, und man so außerordentlich wohlfeile Hilfskräfte gewänne. Pirot scheint hiermit
den richtigen Ton gefunden zu haben. Während mitunter die fürstbischöflichen Reskripte
von dem Gedanken ausgehen, neue Wirkteppiche nicht ohne weiteres in eigener Manufaktur
herzustellen, „da mann Selbige mit viel geringerem aufwand durch paares geldt nach Be-
lieben erkauffen kann", schlägt jetzt die Stimmung des Fürstbischofs um. Er lobt den
jungen Meister „wegen seiner schönen Arbeit, und bishero bezeigten Heises" und ist damit
einverstanden, daß Pirot jedes Jahr zwei neue Tapeten fertigt. Es wird ihm als Entlohnung
ein jährlicher Sold von 100 fl. rhein. und freie Kost gewährt. Sämtliche Rohmaterialien
zu den Wirkteppichen liefert das Hochstift, es stellt ferner 4 Jungen als Lehrlinge zur Ver-
fügung, für die täglich 3 Batzen Kostgeld entrichtet werden102). Als Kartonist wird der
Hofmaler Johann Rudolf Biß verpflichtet, der die Patronen mit Hilfe seiner Schüler Jo-
hann Thalhofer und Anton Joseph Högler entwirft. Die Einpassung der Wirkereien in
die vorgesehenen Räume des Wernecker Schlosses macht später Schwierigkeiten. Es
wird nötig, zwei Tapeten zu vergrößern. Auf Vorschlag des leitenden Architekten Johann
Balthasar Neumann wird der Bamberger Hofmaler J. J. Scheubel damit beauftragt. Pirot
schickt 1745 die alten Kartons nach Bamberg „damit sich der scheibel mit dem darahn
mahlen darnach richten könne"103). Tatsächlich weist das eine Stück (bis 1921 im Mün-
chener Nationalmuseum, jetzt wieder in Würzburg) aus dem Wernecker Schloß eine Ver-
größerung gegenüber dem ursprünglichen Karton auf. Das Büfett und die Vase neben der
tafelnden Gesellschaft ist — allerdings kaum zum Vorteil der Gesamtwirkung — erheblich
verlängert. Ein ähnliches Ergänzen findet bei der dritten, jetzt verschollenen Folge des
Venetianischen Karnevals durch Scheubel statt. Es müssen also mindestens doppelte Kar-
tons von Biß gemalt worden sein, wohl um ein rascheres gleichzeitiges Arbeiten der
Pirotschen Manufaktur zu erreichen. Die Möglichkeit ist aber auch nicht von der Hand zu
weisen, daß die Patronen zu den Wiener Wirkereien nicht unwesentliche Abweichungen

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