Seite 158: Frans Hals (Mecheln um 1580—1666 Haarlem),
Der Trinker. Rotterdam, Museum Boymans van Beuningen.
Seite 159: Frans Hals (Mecheln um 1580—1666 Haarlem],.
Porträt eines Offiziers. Amsterdam, Rijksmuseum.
Rechts: Anthonis van Dyck (Antwerpen 1599—1641 London],
Der Bacchuszug. London, National Gallery.
Brauerei. Der Besitzer erklärte ihm stolz, daß er über
300 000 Tonnen Bier im Jahr erzeuge und dafür
50 000 Gulden Steuern zahle. Zur gleichen Zeit ver-
anschlagte der französische Professer Parival die
jährliche Verbrauchssteuer, die allein die Stadt
Amsterdam pro Jahr auf Bier erhob, mit anderthalb
Millionen Gulden. Im 14. Jahrhundert soll Amster-
dam bereits 25 000 Tonnen des Gerstensaftes jähr-
lich eingeführt haben, obwohl es ja damals noch
eine recht kleine Stadt war.
Dieser enorme Verbrauch von Alkohol setzte
schon die ausländischen Zeitgenossen in Erstaunen
und gab ihnen zu denken. Der damalige englische
Botschafter in Den Haag, Sir William Temple, ging
den Gründen für den übermäßigen Alkoholkonsum
eingehend nach. Er gelangte zu der Erkenntnis, daß
die trübe und dämpfige Luft, die alle Reisenden in
den Niederlanden beanstandeten, als die eigentliche
Wurzel dieses Phänomens zu betrachten sei: »Die-
selben Eigenschaften der Luft mag sie zu den Gela-
gen und zu der Angewohnheit des Trinkens verlei-
ten, welche sie so sehr pflegen, und die, nach mei-
nem Dafürhalten, nicht nur für ihre Gesundheit not-
wendig sein werden (wie sie im allgemeinen selbst
glauben), sondern auch für die Lebenskraft und die
Stärkung ihrer Sinne, mitten in diesem Nebel von
dicker, diesiger Luft und bei so viel Kälte ihres
Wesens und Gefühls. Zwar mag der Gebrauch oder
das Übermaß des Trinkens die Fähigkeiten der
Menschen zerstören, die unter besserem Klima
leben und wärmeres Gemüt haben - aber auf der
anderen Seite mag es die Anlagen und Fähigkeiten
der Menschen von kaltem Wesen in trüber Luft
verbessern; und es mag notwendig sein, daß die
gefrorenen und unbeweglichen Geister des Gehirns
aufgetaut werden müssen ...« Und in diesem Stil
geht es weiter. Temple hat vielleicht gar nicht so
unrecht, wenn er den Trunk bei den alten Nieder-
ländern als Medizin und nicht als Suchtmittel an-
sieht. Es ist doch bezeichnend, daß unter Tag oder
vor Geschäften, wo es galt, einen kühlen Kopf zu
bewahren, der Alkohol grundsätzlich verpönt war.
Temple weist selbst darauf hin: »Und die Kaufleute
und Händler, bei denen das Trinken üblich ist, tun tue, daß man am Morgen gekommen sei, wo sie
es doch nie am Morgen oder bis sie von der Börse nichts zu trinken anbieten könnten.«
wiederkehren, wo das Tagesgeschäft gewöhnlich Daß dies Volk unter dem Einfluß von Alkohol
erledigt wird; ja es kommt ihnen kaum der Gedanke, wirklich buchstäblich auftaute, bezeugen die Be-
daß es überhaupt erlaubt sein könnte, vor dieser richte vieler anderer Augenzeugen der Zeit. In den
Zeit zu trinken; und sie entschuldigen sich, wenn Wirtsstuben saßen sie zunächst anderthalb Stunden
man in ihr Haus kommt, und sagen, wie leid es ihnen stumm und teilnahmslos vor ihren Maßkrügen,
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mokierten sich die Fremden, und beachteten in inrer
Lethargie eintretende Gäste überhaupt nicht; wenn
sie jedoch genügend Gemäße geleert hatten, blüh-
ten sie auf, wurden regsam, geradezu heißblütig.
Im gleichen Rhythmus verliefen die Gelage.
Unendlich langweilig hoben sie an, doch die Ge-
tränke taten dann allmählich ihre Wirkung. Die
Stimmung wurde immer bunter, lauter und greller.
Der Gastgeber verlor gewöhnlich als erster die klare
Übersicht, weil ihm am meisten zugetrunken wurde.
In England kam um 1600 die Redensart »a dutch
feast« auf, das heißt: ein niederländisches Mahl, und
es bedeutete soviel wie: ein Gelage, bei dem der
Gastgeber als erster betrunken ist.
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Der Trinker. Rotterdam, Museum Boymans van Beuningen.
Seite 159: Frans Hals (Mecheln um 1580—1666 Haarlem],.
Porträt eines Offiziers. Amsterdam, Rijksmuseum.
Rechts: Anthonis van Dyck (Antwerpen 1599—1641 London],
Der Bacchuszug. London, National Gallery.
Brauerei. Der Besitzer erklärte ihm stolz, daß er über
300 000 Tonnen Bier im Jahr erzeuge und dafür
50 000 Gulden Steuern zahle. Zur gleichen Zeit ver-
anschlagte der französische Professer Parival die
jährliche Verbrauchssteuer, die allein die Stadt
Amsterdam pro Jahr auf Bier erhob, mit anderthalb
Millionen Gulden. Im 14. Jahrhundert soll Amster-
dam bereits 25 000 Tonnen des Gerstensaftes jähr-
lich eingeführt haben, obwohl es ja damals noch
eine recht kleine Stadt war.
Dieser enorme Verbrauch von Alkohol setzte
schon die ausländischen Zeitgenossen in Erstaunen
und gab ihnen zu denken. Der damalige englische
Botschafter in Den Haag, Sir William Temple, ging
den Gründen für den übermäßigen Alkoholkonsum
eingehend nach. Er gelangte zu der Erkenntnis, daß
die trübe und dämpfige Luft, die alle Reisenden in
den Niederlanden beanstandeten, als die eigentliche
Wurzel dieses Phänomens zu betrachten sei: »Die-
selben Eigenschaften der Luft mag sie zu den Gela-
gen und zu der Angewohnheit des Trinkens verlei-
ten, welche sie so sehr pflegen, und die, nach mei-
nem Dafürhalten, nicht nur für ihre Gesundheit not-
wendig sein werden (wie sie im allgemeinen selbst
glauben), sondern auch für die Lebenskraft und die
Stärkung ihrer Sinne, mitten in diesem Nebel von
dicker, diesiger Luft und bei so viel Kälte ihres
Wesens und Gefühls. Zwar mag der Gebrauch oder
das Übermaß des Trinkens die Fähigkeiten der
Menschen zerstören, die unter besserem Klima
leben und wärmeres Gemüt haben - aber auf der
anderen Seite mag es die Anlagen und Fähigkeiten
der Menschen von kaltem Wesen in trüber Luft
verbessern; und es mag notwendig sein, daß die
gefrorenen und unbeweglichen Geister des Gehirns
aufgetaut werden müssen ...« Und in diesem Stil
geht es weiter. Temple hat vielleicht gar nicht so
unrecht, wenn er den Trunk bei den alten Nieder-
ländern als Medizin und nicht als Suchtmittel an-
sieht. Es ist doch bezeichnend, daß unter Tag oder
vor Geschäften, wo es galt, einen kühlen Kopf zu
bewahren, der Alkohol grundsätzlich verpönt war.
Temple weist selbst darauf hin: »Und die Kaufleute
und Händler, bei denen das Trinken üblich ist, tun tue, daß man am Morgen gekommen sei, wo sie
es doch nie am Morgen oder bis sie von der Börse nichts zu trinken anbieten könnten.«
wiederkehren, wo das Tagesgeschäft gewöhnlich Daß dies Volk unter dem Einfluß von Alkohol
erledigt wird; ja es kommt ihnen kaum der Gedanke, wirklich buchstäblich auftaute, bezeugen die Be-
daß es überhaupt erlaubt sein könnte, vor dieser richte vieler anderer Augenzeugen der Zeit. In den
Zeit zu trinken; und sie entschuldigen sich, wenn Wirtsstuben saßen sie zunächst anderthalb Stunden
man in ihr Haus kommt, und sagen, wie leid es ihnen stumm und teilnahmslos vor ihren Maßkrügen,
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mokierten sich die Fremden, und beachteten in inrer
Lethargie eintretende Gäste überhaupt nicht; wenn
sie jedoch genügend Gemäße geleert hatten, blüh-
ten sie auf, wurden regsam, geradezu heißblütig.
Im gleichen Rhythmus verliefen die Gelage.
Unendlich langweilig hoben sie an, doch die Ge-
tränke taten dann allmählich ihre Wirkung. Die
Stimmung wurde immer bunter, lauter und greller.
Der Gastgeber verlor gewöhnlich als erster die klare
Übersicht, weil ihm am meisten zugetrunken wurde.
In England kam um 1600 die Redensart »a dutch
feast« auf, das heißt: ein niederländisches Mahl, und
es bedeutete soviel wie: ein Gelage, bei dem der
Gastgeber als erster betrunken ist.
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