Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Umbreit Lied der Liebe.

i85

Form des holien Liedes* Der Dichter ersann zur äussern
lieglaubigung der psychologischen Wahrheit, von deren Ho,
heit er begeistert wurde, einen besondern Fall. Ein junges
schönes Hirtenmädchen, von seinen Brüdern zur Hütherin
eines Weinbergs bestellt, wird yon da in Salomos Frauengemach
entführt. Der König liebt die schöne Schäferin unaussprechlich
tmd bestimmt sie zu seiner ersten Gemahlin. Aber sie fiihlt
sich nicht heimisch in den prächtigen Gemächern» Aile Gunst-
bezeugungen Salomos rühren sie nicht; ihre Liehe hat sie
schon einem jungen Hirten auf den Fluren der Heimath ge.
schenkt. Bey ihm ist ihr Geist im Wachen und im
Traume. Und auch er, der liebende Jüngling, empfindet die
Qualen einer unendlichen Sehnsucht. Endlich wird sie fey-
crlich zur ersten Königin eingeweiht. Aber nicht diese ho-
lie Ehre, nicht der Glanz und die Pracht der, Umge-
bung kann dem Könige ihr Herz zuwenden. Gegen alle

Liebkosungen und süfse Schmeichelreden seines Mundes
bleibt sie kalt. Ihre Liebe zum fernen Gespielen der freund-
lichen Heimath ist unzerstörbar wie die seinige zu ihr. Ber
König sieht sich genöthigt, sie wieder in ihre Thäler ziehen zu
lassen. Die getrennten Liebenden werden wieder vereinigt
und besiegeln den ewigen Bund ihrer Herzen unter dem
Apfelbaume ihrer ersten siissen Zusammenkunft. Diese Ge-
schichte von der felsenfesten Treue zweyer Liebenden, die
selbst ein Salom o (was will dasnicht sugen ?) nicht zu trennen
vermochte, sehen wir aber gleichsam erst entstehen; wir blik-
ken unmittelbar in das Leben mehrerer Personen, die in ei-
uem gewissen poetischen Verhältnisse stehend, durch ihre ge-
genseitige Einwirkung auf einander, eine allgemeine Idee in
ihrer Wahrheit darstellen, Demnach glaubt der Verf. dem Ge-
dichte den Narnen eines dramatischen geben zu dürfen,
sobald man nur die Forrn eines solchen nicht einseitig von
den Mustern dieser Dichtungsart, wie sie im Occident er*
scheint, abstrahirt, sondern sie ihrer innern psychologischenNatur
iiach nimmt, mit besonderer Berücksichtigung des eigenthiim*
lichen morgenländischen Geistes der sie beseelt und der redne«
arischen Einfachheit de$ hohen Alterthums , in welcbem das
Gedicht entstarsden. 4. Vom Verfasser des hohen Lie*
des. Nur kurz wird angedeutet, dafs der in der Ueber-
schrift genannte Salomo weder Vurfasser, noch Hauptperson
des dramatischen Gedichtes seyn könne, sondern blos nach sei-
ner historisch-erotischen Bedeutung zur Ausführung des be-
reits angegebenen Planes des Stücks sehr passend auftrete.
Nach dieser in genannte vier Haupttheile zerfallenden Einl el*
tung foigt die Üebersetzung deshohen Liedes, Nachmög-
 
Annotationen