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Hansen: Osteuropa nach Herodot.

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das Bild gewähre, das Herodot oder seine Berichterstatter vor Augen
hatten. Schon der ganze Zusammenhang, in welchen Herodot diesen
Zug bringt, scheint einer solchen Annahme zu widersprechen, in der hier
vielleicht der Verf. zu weit gegangen ist, dessen Streben, aus der Ge-
genwart die Nachrichten des Altvaters zu erklären, wir gewiss achten
und dankbar anerkennen. Mit ihm aber beklagen wir es, dass über die
politischen Verhältnisse dieser skythischen Völkerschaften, über ihre Re-
gierungsform und dergleichen, ebenso wie- über die Verhältnisse der an
der Küste angesiedelten griechischen Kolonien zu den Skythen und über
diese Kolonien selbst so wenig in den Berichten des Herodotus ange-
troffen wird, der kaum Olbia nennt, das er doch gewiss näher kannte,
da er jedenfalls diese Küstenstrecken besucht hat. Sollte sein Vorgän-
ger Hekaläus von Milet darüber in einer Weise berichtet haben, welche
den Herodotus auch in andern Theilen seines Werkes (man denke z. B.
an Aegypten, an Theben und Anderes) zu einer Rücksicht bewog, daß
von seinem Vorgänger schon umständlich Berichtete nicht noch einmal zu
erzählen, da er es der Wahrheit entsprechend fand? Oder blieb des
Geschichtschreibers Absicht, uns auch darüber seine Wahrnehmungen mit-
zutheilen, unausgeführt, wie manches Aehnlicha, was er uns in seinen
Büchern verspricht, ,auch wohl mit der Zeit noch in sein Werk einge-
fügt hätte, wenn ihn der Tod nicht übereilt und sein Werk, von dieser
Seite aus nicht ganz vollendet, auf die Nachwelt gebracht hätte? Für
Beides werden sich Gründe auffinden lassen, um so weniger möchte Ref.
eine feste Entscheidung wagen. Bei dem, was über den Cultus der
Skythen zusammengestellt wird, möchten wir mir die eine Bemerkung
über die nach Herodot IV., 6. 7. vom Himmel herabgefallenen goldenen
Gcräthschaften, dem, was der Verf. >S. 85 darüber zu ermitteln bemüht
ist, beifügen, indem es uns doch am nächsten zu liegen scheint, hier an
Aerolithe und deren im Alterthum mehrfach vorkommenden Cultus zu
denken, mag auch im Einzelnen die Sage (liess noch mit weiteren Zu-
sätzen ausgeschmückt haben. Ueber die schwierige Frage, für was denn
eigentlich die wahrsagenden, androgynischen Enarees bei Herodot IV., 67.
zu halten seyen, wagt der Verf. keine Entscheidung abzugeben; als Ver-
mahlung spricht er aus, dass dieselben eine Art mönchischer Asceten ge-
wesen, die in weiblicher Kleidung ihre Funktionen verrichtet, vielleicht
gar Verbreiter eines neuen Cultus (woher das Letztere? werden wir
 
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