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Fontes rerurn Gennanicarum. Von Böhmer. 415
Gunst des heiligen Stuhls den lästigen Vorgänger Heinrich vom erz-
bischöflichen Sitz des goldenen Mainz verdrängt und bald im Ge-
heimen I-Iand an etliche Stücke des Kirchenschatzes gelegt 0153}.
Gemach brach aber unter den Bürgern blutiger Zwiespalt aus für den
einen und andern Nebenbuhler, massloser, weil persönliche und örtliche
Triebfedern hinzutraten. Man stritt Tage lang in den Gassen mit Schwer-
tern, Lanzen, Knitteln; auf beiden Seiten sanken viele Wunde und Todte
darnieder; Leidenschaft, Rachegefühl wuchsen. Endlich kam am Johan-
nistage 04. Junius 1160} die Entscheidung. Am frühen Morgen stürmte
das Volk, Alt und Jung, unter Glockengeläute wider das voi- der Stadt
gelegene Kloster der Jacobiner, in welchem Arnold, heimgekehrt von
einer Reise gen Bingen, arglos übernachtete. Geschosse, Steine, Feuer
nöthigten die erschreckten Mönche zur Flucht, unter ihnen den Erzbi-
schof. Obschon verkleidet als Ordensbruder, wurde er erkannt, mit Knit-
teln, Steinen, Schwertern grausam darniedergeschlagen, der Kleider, Ringe,
Reliquien beraubt und hart an den Stadtgraben geworfen, Hunden und
Wölfen zur Beute. „So lag er hier“, heisst es buchstäblich in dem
Bericht, „ganz nackend drei Tage lang. Da kamen etliche böse Weiber,
Käse-, Eier- und Gemüsehändlerinnen, Höckerfrauen, feile Dirnen, und
schlugen mit Steinen dem Oberhirten die Zähne aus, andere aber stiessen
ihm glühende Stäbe und Feuerbrände in den Schlund und fügten mit
Zungen und Lippen die schauerlichsten Verwünschungen hinzu. Erst nach
dem dritten Tage hoben die Kanoniker der heiligen Maria den unkennt-
lichen, in Verwesung übergegangenen Leichnam heimlich auf und brach-
ten ihn unter Thränen und Seufzern in die Kirche. — Der grosse Schatz
aber verschwand schnell; ein bedeutender Theil, glaubt man, kam in die
Hände des Kaisers (Friedrich I.}, ein anderer wurde geraubt, gestohlen,
den Juden verpfändet; die kostbaren Steine des Heiligthums flogen in
die Taschen der Diebe.“ —
Stehet diese Revolutionsscene dem furchtbarsten Terrorismus
der neueren, besonders Französischen Zeit nach? Mit nickten; sie be-
hält vielmehr den Vorrang. Man hüte sich also, lüsterne Blicke auf Prie-
sterherrschaft und Glaubenswirren zu werfen! Es gibt keine schmach-
vollere, schärfere Geissel, denn Hierarchie, wenn sie aus dem Geleise des
vorgezeichneten Gesetzes weicht und für die angebliche Verherrlichung des
Himmels den Fanatismus der Menge aufruft. Diese freilich triviale, häufig
 
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