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Fontes rerum Austriacarum.

weilen an Herodot erinnert wird, das Ganze endlich von einer lie-
benswürdigen Bescheidenheit, fast Demuth, gleichsam so durchdrun-
gen, dass man nicht leicht trotz des zerstückelten, abgerissenen Stoffes
beim Lesen ein Blatt überschlagen wird. Ja, es sind die bessten,
Teutschen Denkwürdigkeiten aus dem sechszehnten Jahrhunderts,
welche bei weitem über Götz von Berlichingen und Sebastian Schärt-
lin — und das will viel sagen — zu stehen scheinen, daher wohl
eines besondern Abdruckes würdig.
Unter den verschiedenen Missionen, welche hier genau nach
Zweck, Mitteln und Ausgang beschrieben werden, nimmt die Reise
zu den Moskowitern oder Russen die oberste Stelle ein. —
1517 auf Befehl Kaiser Maximilians im October das erstemal un-
ternommen, sollte sie den Grossfürsten Wasilei Iwanowitsch, — der
Titel Zaar fehlte noch, — mit dem Polnischen König Sigmund ver-
söhnen und dadurch die schwer von den Türken in Ungarn be-
drohete Christenheit einigermassen erleichtern und sichern, daneben
Land und Leute beobachten. Herberstein, von einem kleinen Ge-
folge begleitet, entledigt sich seines schwierige, gefahrvollen Auf-
trags mit gewohnter Umsicht und Entschlossenheit, machte bei rauher
Jahrzeit theils zu Ross, theils zu Schlitten durch Polen und Litt-
hauen den langen Zug auf Moskau, wo er am 18. April 1518 nach
unsäglichen Beschwerden und Abenteuern anlangte. Die Audienz
erfolgte etliche Tage später; sie vereinigte eine gewisse patriarcha-
lische Offenheit und Gastfreundschaft mit despotischer Grandezza,
namentlich bei dem Gastmai, wo die einzelnen Getränke und Spei-
sen den Gesandten im Namen des Herrn dargereicht und stehend
genossen wurden. „Also hat Jeder, heisst es S. 125, müssen auf-
stehen, den andern zu Ehren, dass ich ganz müde und machtlos in
Knieen bin worden. Es währete an vier oder fünf Stunden.“ —
Damit war die Arbeit aber noch nicht beendigt; denn nach aufge-
hobener Tafel musste auf dem Heimweg der Botschafter den Rus-
sischen Grossen Bescheid thun, „welche ihn gar antrinken wollten.
Als ich ihnen sagt: ich möcht fürwahr nichts mehr, wäre ganz voll,
so verliessen sie mich.“ — An der, den 18. Mai veranstalteten Hof-
und Hasenjagd zeigte der Gesandte keine rechte herzliche Theil-
nahme; denn es kam ihm absonderlich vor, dass man gegen die
von Natur keineswegs muthigen Thiere wahrhaft kolossale Rüstun-
gen getroffen und grosse Zottelhunde unter gewaltigem Schreien los-
gelassen hatte. Befragt, warum er denn nicht hetzte, antwortete
Herberstein: „Ich wüsste das bei meinem Herrn nicht zu verant-
worten, dass ich dem armen Gesellen, dem so viele Hunde nach-
eilen, so unter Augen hetzen sollte, das sie fast lachten“ (S. 127).
-— Ueber Sitten, Bräuche, Einrichtungen und Umfang des damali-
gen Russlands werden mehrere, bemerkenswerthe Nachrichten gege-
ben. Von der Priesterehe heisst es z. B. S. 128: „Keiner wird
zum Diacon geweiht, er hab dann eine zu Weib fürgenommen, und
nimmt die sammt der Weihe. Wo aber die fürgenommene Braut
 
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