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178 Seybt: Richard Heber Wrightons, Gesch. d. neuen Italiens.
Einmischungen einen gefährlichen Krieg zu erwecken drohten. Man
sah nun den politischen Fehler ein, der auf dem Wiener Congresa
gemacht worden war, und die Grossmächte fühlten die Nothwendig-
keit, Vorsorge gegen die Wiederkehr der Kriegsgefahr zu treffen,
die aus fortdauernden Störungen in Mittelitalien hervorgehen könnte.
Sie einigten sich zu dem bedeutsamen und wichtigen Schritt, der
römischen Curie eine Denkschrift zu überreichen, die wohl das wich-
tigste Aktenstück in der neuesten Geschichte des Kirchenstaats ist.
Es ist wichtig, nicht sowohl wegen des darin ausgesprochenen Willens
der Mächte ernstlich zu reformiren, denn die Kraft dieses Willens
hielt nicht einmal ein ganzes Jahr an, und die hier geoffenbarten
Vorsätze und Gesinnungen wurden später in Gaeta gänzlich ver-
läugnet; sondern es ist wichtig durch den Nutzen, den das Volk
daraus ziehen kann, es ist eine formelle Anerkennung der öffentli-
chen Meinung, dass eine ausschliesslich priesterliche Herrschaft nichts
taugt, es verwandelt sich zugleich in eine Anklage gegen diejenigen,
welche gegen ihre eigne Ueberzeugung eine solche Priesterherrschaft
einem Volk mit Gewalt aufzwingen. Das Memorandum besprach
die Zulassung von Laien zu Verwaltungs- und richterlichen Funktio-
nen. Es deutete auf die gegebenen aber nicht erfüllten Verspre-
chungen einer bessern Einrichtung der Gerichtshöfe hin und empfahl
ihre Erfüllung. Es rieth die Bildung von gewählten Gemeindebe-
hörden und Provinzialräthen an, um die Statthalter in ihrer Ver-
waltung zu unterstützen; ferner Reform und Oeffentlichkeit in der
Finanzverwaltung und für den gesammten Kirchenstaat, die Ein-
setzung einer berathenden Consulta, zusammengesetzt aus Mitglie-
dern, die aus der Mitte der Gemeindebehörden gewählt werden sollten.
Der Staatssekretär Bernetti erklärte sich mit der den Staats-
männern des heiligen Collegiums eignen schlauen Klugheit mit den
gegebenen Rathschlägen einverstanden, und einige ostensible Mass-
regeln wurden ergriffen, um einer scheinbaren Beistimmung den An-
schein der Aufrichtigkeit zu geben. Aber es ist wenig Grund zu
der Voraussetzung vorhanden, dass die römische Curie ernstlich be-
absichtigt hätte, ihre weltlichen Angelegenheiten Laien anzuvertrauen
oder den Berathungen einer Consulta irgend welchen Einfluss zu
gestatten. Trotzdem ist die Ueberreichung dieser Vorstellung durch
die fünf Mächte als eine historische Thatsache von grösster Wich-
tigkeit zu betrachten. Das päpstliche System erhielt dadurch eine
Gnadenfrist, und wären der Papst und das Cardinalcollegium fähig
gewesen eine richtige Ansicht von dem, was ihre Interessen ver-
langten, zu gewinnen, so hätte sich vielleicht der Verfall der welt-
lichen Herrschaft der römischen Curie aufhalten lassen. Hätten sie
den Ansichten der fünf Mächte nachgehandelt, so darf man anneh-
men, dass eine überwiegende Mehrheit des Volks sich befriedigt ge-
fühlt hätte und die Bemühungen der Aufwiegler vereitelt worden
wären. Die Ausflüchte, zu welchen damals die päpstliche Regierung
griff, lassen sich nicht durch die Furcht vor weitergehenden For-
 
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