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Literaturberichte aus Italien.

bringen. Wahr ist es, dass diese den Hass gegen die Reichen und Vornehmen
aus Deutschland mitbringen; denn in keinem Lande hört man so viel auf die
Rothschilde, die Geldsäcke, die Krämerseelen u. s. w. schimpfen, als in Deutsch-
land, wo man den Kaufmann beneidet, der es in Manchem Andern zuvorthun kann.
Mit dieser Masse stimmt überein die grosse Zahl der ebenfalls meist armen
Gelehrten, welche noch den Geldstolz für den allerunleidlichsten halten. Dies
sieht man in andern Ländern nicht, denn der Geldstolz ist am leichtesten in
seine Schranken zurückzuweisen. Jeder kann reicher werden, wie der Be-
neidete und dieser wird dann bald seinen Stolz gegen den jetzt Reicheren ab-
legen. Darum hat Italien nichts von Cummunism zu fürchten, dort wird der
Reiche, der Vornehme geliebt und geachtet, auch ist dort die Wissenschaft in
den ersten Classen der Gesellschaft mehr heimisch als anderswo, und von
derselben geachtet.
Welchen guten Gebrauch die reichen Leute in Italien durch Beförderung
von gemeinnützigen Anstalten machen, kann man aus dem jetzt erschienenen
Berichte des Herrn Possenti, über den gedeihlichen Fortschritt der Ackerbau-
Schule auf dem grossen Gute Corte Palosio entnehmen.
Analisi della proposta per 1'Assoeiazione agricola Lombarda di Corle del Palosio,
del Ingegnere Carlo Possenli. Milano 1856. Tip. Salti.
Solche gemeinnützige Anstalten kommen in Italien sehr leicht zur Aus-
führung, da dort das Gemeindewesen nicht durch das Beamtenwesen erstickt
wird. Man wird nicht behaupten wollen, dass die Regierung in der Lom-
bardei von revolutionären Grundsätzen ausgeht, allein sie lässt der Gemeinde-
verwaltung freien Lauf. Die Polizei hat es nur mit den Pässen und den Ge-
setzes-Uebertretungen zu thun; alles andere ist der freien Gemeinde-Verwal-
tung überlassen. Darum nehmen an derselben die vornehmsten und reichsten
Einwohner der Gemeinde Theil, die dazu durch die Wahl ihrer Mitbürger be-
rufen werden. Darum kommt es häufig vor, dass der Markgraf A..., der
reiche Arzt B..., der reiche Professor C..., der reiche Graf D... sich mit
aller Anstrengung den Geschäften eines unbesoldeten Stadtrathes, eines Bürger-
meisters (Gonfaloniere) unterwerfen und es sich oft Tausende kosten lassen, um
ihrer Stadt Ehre zu machen. Dieselben wohlmeinenden Gemeinde-Mitglieder
würden sofort davon abgeschreckt werden, wenn ein besoldeter Beamter sich
in diese Angelegenheiten mischen wollte, z. B. wie die Farbe eines Gebäudes
sein soll. In Italien — mag man noch so viel zu tadeln finden — besteht
die wahre Gliederung der Gesellschaft, in Familie, Gemeinde und Staat.
JVelsebaur'
 
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