Nr. 26.
HEIDELBERGER
1862.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
assa-i-j—'gsgaasa-i-i.'i.rT-rB π s-yggssü—'—i n ι n .
Freiherr J. Heinrich von Wessenberg. Sein Leben und 'Wir-
ken. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der neuern Zeit.
Auf der Grundlage handschriftlicher Aufzeichnungen Wessen-
bergs. Von Dr. Jos. Beck, Grossherzoglich Badischem Ge-
heimen Hofrath. Freiburg. Friedrich Wagner’sche Buchhand-
lung, 1862. XII S. und 527 S. gr. 8.
Zu den ersten Vorkämpfern für Gründung einer deutschen
Nationalkirche, für constitutionelle Verfassung und für die Einheit
unseres deutschen V olkes gehört Ignaz Heinrich von Wesse n -
berg, der beharrlich vorn ersten Augenblicke seiner geistigen Thä-
tigkeit bis zum letzten Hauche seines Daseins nach der Verwirk-
lichung der Ideale strebte, die seiner schönen und Wahrheit lieben-
den Seele immerdar als leuchtende Sterne vorschwebten, nach Licht
und Recht in Staat, Kirche und Wissenschaft, nach der Durchfüh-
rung des Schönen in der Kunst und des Guten in der freien männ-
lichen That. Das Leben eines solchen Mannes, der nach Charakter und
Leistungen mit zu den Besten und Edelsten unserer Zeit gehört, ist
daher schon an und für sich eine bedeutende Erscheinung. Noch
wichtiger aber wird diese, wenn ein solcher Mann, wie W essen -
berg, nicht nur al3 Schriftsteller, sondern auch in einer hohen S.el-
lung des öffentlichen Lebens, als Coadjutor, Generalvicar, Bi3thums-
verweser, als Gesandter in Paris, Wien und Frankfurt, als Freund
der höchst gestellten Persönlichkeiten der Zeit einen Einfluss auf den
Entwicklungsgang Deutschlands gewinnt, wie ihn wenige mit ihm
Lebende errungen haben. Am meisten aber gewinnt das Leben eines
grossen Mannes, wenn der Charakter, die ganze Gesinnungs- und
Handlungsweise des Menschen in dem ungetrübtesten Einklänge mit
dem äussern Leben und der öffentlichen Wirksamkeit steht, wie die-
ses bei W essenberg, dem berühmten katholischen Reformator,
der Fall ist. Es ist ein freudiges Gefühl, dem Leben eines durch-
aus Edlen zu folgen von den ersten Anfängen der Entwicklung bis
zum Abschlüsse; freilich ist dieses auch mit Wehmuth gemischt,
wenn man die schönen Schöpfungen einer grossen Seele unter den
rohen Händen der Gewalt oder den Ränken verschmitzter Heuchelei
und Selbstsucht nicht nur bekämpft, sondern zuletzt auch wirklich
zerstört sieht. Doch gerade in unserer Zeit erhebt sich das Gemüth
des Betrachters wieder aufs Neue an einem solchen Leben, da der
einst ausgestreute und zeitweise niedergedrückte Lebenskeim wieder
aufs Neue zu sprossen beginnt freilich durch Umstände, die nicht
in der Macht des einzelnen Menschen, sondern mehr in der all-
gemeinen Fügung der Geschicke des Menschengeschlechtes liegen.
LV. Jahrg. 6. Heft. 26
HEIDELBERGER
1862.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
assa-i-j—'gsgaasa-i-i.'i.rT-rB π s-yggssü—'—i n ι n .
Freiherr J. Heinrich von Wessenberg. Sein Leben und 'Wir-
ken. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der neuern Zeit.
Auf der Grundlage handschriftlicher Aufzeichnungen Wessen-
bergs. Von Dr. Jos. Beck, Grossherzoglich Badischem Ge-
heimen Hofrath. Freiburg. Friedrich Wagner’sche Buchhand-
lung, 1862. XII S. und 527 S. gr. 8.
Zu den ersten Vorkämpfern für Gründung einer deutschen
Nationalkirche, für constitutionelle Verfassung und für die Einheit
unseres deutschen V olkes gehört Ignaz Heinrich von Wesse n -
berg, der beharrlich vorn ersten Augenblicke seiner geistigen Thä-
tigkeit bis zum letzten Hauche seines Daseins nach der Verwirk-
lichung der Ideale strebte, die seiner schönen und Wahrheit lieben-
den Seele immerdar als leuchtende Sterne vorschwebten, nach Licht
und Recht in Staat, Kirche und Wissenschaft, nach der Durchfüh-
rung des Schönen in der Kunst und des Guten in der freien männ-
lichen That. Das Leben eines solchen Mannes, der nach Charakter und
Leistungen mit zu den Besten und Edelsten unserer Zeit gehört, ist
daher schon an und für sich eine bedeutende Erscheinung. Noch
wichtiger aber wird diese, wenn ein solcher Mann, wie W essen -
berg, nicht nur al3 Schriftsteller, sondern auch in einer hohen S.el-
lung des öffentlichen Lebens, als Coadjutor, Generalvicar, Bi3thums-
verweser, als Gesandter in Paris, Wien und Frankfurt, als Freund
der höchst gestellten Persönlichkeiten der Zeit einen Einfluss auf den
Entwicklungsgang Deutschlands gewinnt, wie ihn wenige mit ihm
Lebende errungen haben. Am meisten aber gewinnt das Leben eines
grossen Mannes, wenn der Charakter, die ganze Gesinnungs- und
Handlungsweise des Menschen in dem ungetrübtesten Einklänge mit
dem äussern Leben und der öffentlichen Wirksamkeit steht, wie die-
ses bei W essenberg, dem berühmten katholischen Reformator,
der Fall ist. Es ist ein freudiges Gefühl, dem Leben eines durch-
aus Edlen zu folgen von den ersten Anfängen der Entwicklung bis
zum Abschlüsse; freilich ist dieses auch mit Wehmuth gemischt,
wenn man die schönen Schöpfungen einer grossen Seele unter den
rohen Händen der Gewalt oder den Ränken verschmitzter Heuchelei
und Selbstsucht nicht nur bekämpft, sondern zuletzt auch wirklich
zerstört sieht. Doch gerade in unserer Zeit erhebt sich das Gemüth
des Betrachters wieder aufs Neue an einem solchen Leben, da der
einst ausgestreute und zeitweise niedergedrückte Lebenskeim wieder
aufs Neue zu sprossen beginnt freilich durch Umstände, die nicht
in der Macht des einzelnen Menschen, sondern mehr in der all-
gemeinen Fügung der Geschicke des Menschengeschlechtes liegen.
LV. Jahrg. 6. Heft. 26