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Nr. 23. HEIDELBERGER 1862.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR

Boden: Lessing und Göxe.

(Schluss.)
Hauptpastor an der Katharinenkirche zu Hamburg, trat er mit dem
Feuer und Schwert des theologischen Inquisitors und Verketzerers auf,
wenn es galt, jede Abweichung vom symbolischen Lehrbegriffe des
Magdeburger Concordienbuches, jeden neuen und freien Versuch bibli-
scher Kritik und richtiger Schriftauslegung zu bekämpfen. Duldung
freipr, vom Kirchensysteme abweichender Meinungen war ihm eine Sünde
gegen den heiligen Geist. Niedrige Schimpf- und Schmähworte kenn-
zeichnen die Art seiner Polemik auf der Kanzel, wie in den Streit-
schriften. -Hat ihn doch Hamann nur den „dummen Hambur-
ger Oelgözen“ genannt.
Seit dem Beginne jenes Streites zwischen Lessing und dem
berüchtigten Pastor hatten alle Vernünftigen ihr Urtheil darüber ab-
gegeben, das nirgends zum Vortheile des letztem ausfiel. Nun über-
nahm plötzlich Dr. Georg Reinhard Röpe, ordentlicher Lehrer
an der Realschule des Johanneums zu Hamburg, in seinem Buche:
Johann Melchior Göze, (Hamburg 1860) die Aufgabe einer
Ehrenrettung des viel besprochenen geistlichen Herren. An derselben
Anstalt, an welcher einst Johann Albrecht Heinrich Rei-
mar us und Gurlitt gewirkt hatten, trat der Apologet des lutheri-
schen Inquisitors auf, weichereinst als Verketzerer einem Thomas
de Torquemada Ehre gemacht haben würde. Der Held des Herrn
Röpe war in allen theologischen Streitigkeiten seiner Zeit als Ver-
fechter eines von der modernen Wissenschaft längst überwundenen
Standpunktes aufgetreten. Als Sem ler die Unechtheit der dogma-
tischen Beweisstelle, 1. Job. V, 7 zeigte (1764) und bald darauf
die Streitigkeiten über den biblischen Kanon entstanden, suchte der
dem scharfsinnigen Theologen nicht gewachsene Hamburger Pastor
durch verketzernden Eifer den Mangel an richtiger Einsicht zu er-
setzen. Gegen den Propst Lüdke in Berlin, welcher in seiner
Schrift vom falschen Religionseifer (1767) die Verbindlichkeit der
symbolischen Bücher für die protestantische Kirche bestritt, empfahl
Göze Zwangsmassregeln, um den streng lutherischen Lehrbegriff
zur Geltung zu bringen. Durch seine heftigen Angriffe brachte er
ein Verbot der duldsamen und aufgeklärteren Schrift seines Amtsge-
nossen J. G. Alberti (Anleitung zu Gesprächen über Religion,
1772) zu Stande. Mit gleicher Wuth wurden A. Fr. Busching,
LV. Jahrg. 5. Heft. 23
 
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