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Boden: Lessing und Göze.

Basedow u. A. wegen ihrer vernünftigeren Ansichten von unserem
Hamburger Gottesgelehrten angefallen.
Es ist wenig auffallend, dass ein streng lutherischer Lehrer von
seinem Parteistandpunkte einen Mitstreiter für seine Meinungen
aus einer längst vergangenen Zeit in Schutz nimmt. Denn die Mode,
Geschichte zu machen, d. h. diese nach Parteistandpunkten zu mo-
deln, und eine also fabricirte Historie mit dem Namen einer objecti-
ven Geschichtsdarstellung zu bezeichnen, ist nur zu sehr bei man-
chen Historikern unserer Zeit eingerissen, welche kein grösseres Ver-
dienst kennen, als die Flecken in dem Charakter grosser Männer
aufzusuchen, und Charaktere, über welche die Geschichte längst ge-
richtet hat, in ein strahlendes Licht zu stellen. Die Geschichte in
der Manier Leo’s, Onno Klopp’s u.A. macht aus dem Despo-
ten Alba einen gemüthlichen Hausvater, verkleinert und bemäckelt
einen Friedrich II., Gustaph Adolph, um dafür die Helden-
taten eines Tilly zu bewundern. Was nun solche Geschicht-
schreiber thun, versuchen auch manche Gottesgelehrte, und so erscheint
uns in Röpe’s Schrift urplötzlich Hamanns dummer Hamburger
Oelgotze als ein hoch berühmter, tief gelehrter Gottesgelchrter, der be-
rüchtigte lutherische Grossinquisitor als ein edler Vorkämpfer für das
reine und einzig wahre Christentum in der Gestalt des starren
Luthertums, dessen Anhänger jedenfalls viel folgerichtiger handel-
ten, wenn sie je eher je lieber in den Schooss der allein selig-
machenden Kirche zurückkehrten. Wenn nun solche Erscheinungen
zu allen Zeiten nichts Auffallendes haben, und man mit Fauet sagen
wird: „Es muss auch solche Käuze geben“, so muss man sich dagegen
um so mehr verwundern, wenn in wissenschaftlichen Sammelwerken
unserer Zeit, wie in Erseh’s und Gruber’s Encyklopädie sich
die von Herrn Röpe ansgesprochenen Behauptungen wieder finden.
Die Röpe’sche Schrift ist nämlich, wie der gelehrte Herr Verf. des
zur Beurteilung vorliegenden Buches sagt, „in der allgemeinen
Encyclopädie mit einem so Berge versetzenden Glauben ausgeschrie-
ben, dass der Verfertiger des Artikels: Johann Melchior Göze
(73. Band der ersten Section, S. 18—44) sich nicht einmal für das
Stärkste, was er ihr wörtlich entnimmt, dadurch verwahrt, dass er
es auf seinen Urheber zurückführt“ (S. IV.). Die von Röpe ge-
gebenen Citate finden sich in diesem Artikel ohne Angabe ihres
Gewährsmannes, zugleich werden sogar Behauptungen Röpe’s als
Lessin g’s Aeusserungen hingestellt. So heisst es in diesem Artikel:
„An Göze’s Orthodoxie nahm Lessing keinen Anstoss. Auf den
ersten Blick hatte sich (ihm) nach seiner eigenen Aeusserung ein ganzer
Mann gezeigt, ehrlich und unverkennbar selbst voll von dem Glau-
ben, den er vertheidigte.“ Nun stammt aber diese Aeusserung über
Göze nicht, wie der Verfasser des besprochenen Artikels in der
Encyclopädie meint, von Lessing, sondern von Röpe selbst. „Was
der Artikel zu einer eigenen Aeusserung Lessings macht, hat doch
bloss das Verdienst, eine eigene Aeusserung Röpe’s zu sein.“
 
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