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Nr. 29.

HEIDELBERGER

1862.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Friedberg: De finibus inter eccles. et civit.

(Schluss.)
Heut zu Tage ist es etwas ganz Anderes, wenn die Kirche
sich gegen staatliche Uebergriffe in das eigentbiimliche kirchliche
Rechtsgebiet hinein zu wehren und mehr und mehr solche wieder
zu beseitigen sucht. Wenn die Kirche solche Rechte, welche kraft
ihrer uralten auf ihren Dogmen beruhenden Verfassung ihr eigen-
thümlich und als von ihrem göttlichen Stifter ihr übertragen prin-
cipiell unveräusserlich sind, vertheidigt, und wo sie ihr vom Staate
genommen sind, von diesem· wieder zurückfordert, und wenn die
Päpste noch jetzt gegen solche Staatsgesetze protestiren und sie für
nichtig erklären, welche über kirchliche, zufolge den kirchlichen
Dogmen eigentümliche kirchliche Rechtssachen, den kirchlichen
Normen widersprechende Grundsätze aufstellen, so ist das doch et-
was wesentlich Anderes, als wenn die Kirche wieder eine welt-
liche Oberhoheit über die Fürsten und Völker der Erde in An-
spruch nehmen wollte, wie sie sie nach dem positiven öffentlichen
Rechte des Mittelalters besass.
In der vorliegenden Schrift Friedberg’s ist die Darstel-
lung aber so gehalten, als wenn die Kirche und die Päpste, indem
sie ihre eigentümlichen unveräusserlichen kirchlichen Rechte noch
in der Gegenwart gegenüber Eingriffen der Staatsgewalt verteidi-
gen, wiederum jenen mittelalterlichen mit Wegfall seiner tatsächlichen
Grundlagen ohnehin unmöglichen Recbtszustand in Betreff' des Ver-
hältnisses von Kirche und Staat, eine Suprematie der ersteren
über den letzteren zurückzuführen suchten. Bei der ganzen Zu-
sammenstellung der mittelalterlichen Lehren über das Verhältniss
von Kirche und Staat fehlte dem Verfasser die richtige Würdigung
des Mittelalters aus sich selber, das Verständniss der thatsächlichen
Grundlagen -der damaligen kirchlichen wie auch der damaligen an-
tikirchlichen Richtungen. Statt zu zeigen, wie die mittelalterlichen An-
schauungen über Verhältniss von Kirche und Staat in den äusseren
thatsächlichen Verhältnissen jener Zeit wurzelten, erhalten wir nur
eine äusserliche aus ihrem Zusammenhänge gerissene Materialien-
sammlung, die man mit Unrecht auch auf die Verhältnisse der
Gegenwart anwenden würde, während doch eine solche mittel- oder
unmittelbare Anwendung jener Theorien und Bestimmungen auf un-
sere Zeit durch die ganze Art der Zusammenstellung nahegelegt wer-
den zu sollen scheint.
LV. Jabrg. 6. lieft.

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