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Friedberg: De finn, inter eccles. et civit.

das staatliche Rechtsleben noch wenig entwickelt war, weil die Kö-
nige an den Bischöfen als hoben Reichswürdenträgern die kräftig-
sten Stützen gegenüber den dynastischen Bestrebungen der weltli-
chen Fürsten fanden, weil die Völker einer geordneten Verbindung
bedurften und sie damals in Ermangelung anderer Mittel bei dem
apostolischen Stuhle, dem Einheitspunkte des gemeinsamen Glau-
bens, auch den internationalen Mittelpunkt suchten, weil die gött-
liche Vorsehung auf diese Weise die Durchdringung der gesamm-
ten öffentlichen Ordnung bei den vom Christenthum bekehrten Völ-
kern so zu vollziehen suchte: aus diesen und anderen Gründen
war es auf ganz natürliche Weise dahin gekommen, dass die Trä-
ger der Kirchengewalt, und in höchster Potenz das allgemeine Kir-
chenoberhaupt, der Papst auch eine Oberhoheit in den weltlichen,
staatlichen Angelegenheiten, über Fürsten und Könige der ganzen
Christenheit erlangten. Es war also jenes der damals be-
stehende historisch-begründete, positive Rechtszu-
stand. Und weil nach der kirchlichen Anschauung gewiss im
Laufe der Geschichte ein Plan Gottes erblickt werden muss, —
mag sich derselbe nun nach menschlicher Betrachtung als unmittel-
barer göttlicher Wille oder als göttliche Zulassung darstellen, — so
konnten die Päbste jeue nach dem damaligen positiven öffentlichen
Rechte ihnen zustehenden Oberboheitsrechte über die Staaten der
Erde mit eben soviel Fug und Recht als von der göttlichen Vorse-
hung angeordnet erklären, wie sich noch heut zu Tage unsere Für-
sten von Gottes Gnaden nennen. Die Päbste haben jene Sätze
nicht als Dogmen ausgesprochen, sondern eben nur vom Standpunkte
ihrer Zeit aus, indem sie das damals geltende Recht ausdrückten.
Spätere Päbste, wenn sie auch den Fortfall jenes Zustandes be-
klagten, haben doch den neuen Zustand der Zurücknahme des
staatlichen Recbtslebens in das Gebiet des Staates ebenfalls aner-
kannt. „Jener Zustand des Mittelalters ist für uns, wie Schulte
(Kirchr. II. S. 439, vgl. auch I. S. 367, 387) treffend bemerkt,
ein historisches Faktum, besteht nicht mehr, und dient nicht
mehr als Maassstab.“ Die positiven Bestimmungen der Kirchenge-
setze, wie der älteren Staatsgesetze, soweit sie ihren Grund in den
völlig veränderten Zuständen früherer Zeiten haben, können nicht
mehr als massgebend angesehen werden, sondern es müssen die
Grundsätze über das Verhältniss von Kirchen- und Staatsgewalt zu
einander aus dem Berufe und Zwecke, dem Wesen von Kirche und
Staat, sowie aus dem Faktum des rechtlichen Bestandes der Kirche
in den Staaten hergeleitet werden.
(Schluss folgt.)
 
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