Verhandlungen des naturhistorisch-medizinischen Vereins.
331
3. Vortrag von Herrn Prof. Carius „über Dicyansäure“,
am 20. November 1863.
(Das Manuscript wurde am 14. Januar 1864 eingereicht).
Herr Dr. Poensgen hat in meinem Laboratorium eine Unter-
suchung ausgeführt, deren Resultate ich hier auf seinen Wunsch
mittheile.
Im Carbamid lassen sich 1 At. oder vielleicht mehrere Atome
Wasserstoff durch andere Radicale ersetzen. Es war vorauszusehen,
dass, wenn es gelänge, diese Ersetzung durch die Elemente des
Cyans auszuführen, das entstandene Cyancarbamid ein sehr
interessantes chemisches Verhalten zeigen würde. So könnte das
Cyancarbamid durch Aufnahme der Elemente von Wasser in Biuret
übergeführt werden:
(CO (CO,H
N2 CN,H+OH2=N3 CO,H;
Ih2 |h3
eine Reaction, die indess bis jetzt nicht beobachtet wurde. Dagegen
gibt das Cyancarbamid durch Aufnahme von Wasser und Abgabe
von Ammoniak Veranlassung zur Entstehung der Dicyansäure:
(CO (CO
N2 jCN, H 4- oh2 = N2 CO 4- nh3.
(h2 /h2
Cyancarbamid entsteht leicht durch Einwirkung vou trockenem
Jodcyan auf Carbamid im zugeschmolzenen Rohre bei 120 bis 140°,
nach der Gleichung:
ICO (CO
N2 H2+JCN = N2 CN,H-j-JH.
(H2 (h2
Das bei dieser Reaction auftretende Jodwasserstoff bewirkt gleich-
zeitig das Zerfallen eines Theiles des Carbamides in Jodammonium
und wohl ohne Zweifel die Elemente der Cyansäure, die aber bis
jetzt nicht nachgewiesen wurden. Das Product der Reaction ist
eine nach dem Erkalten feste durch ausgeschiedenes Jod braun ge-
färbte Masse, aus der durch Wasser Jodammonium ausgezogen wird,
während der gebildete, darin wenig lösliche Cyanharnstoff als gelbes
amorphes Pulver zurückbleibt. Cyancarbamid ist ausgezeichnet durch
grosse Beständigkeit, es kann bei schwacher Glühitze scheinbar
ohne alle \7eränderung sublimirt werden, sogar so, dass dadurch
die Elementaranalyse erschwert wird. In Wasser löst es sich nicht
und wird nicht dadurch verändert; in concentrirter Salpetersäure
oder Schwefelsäure löst es sich beim Erwärmen reichlich, wird
aber durch Verdünnen unverändert wieder abgeschieden. Dagegen
wird es leicht verändert durch Alkalien, in deren wässriger Lösung
es sich leicht und anfangs unverändert löst, so dass es durch Essig-
säure wieder abgeschieden werden kann; erwärmt man aber eine
solche Lösung, so entwickelt sich reichlich Ammoniak, und es ent-
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3. Vortrag von Herrn Prof. Carius „über Dicyansäure“,
am 20. November 1863.
(Das Manuscript wurde am 14. Januar 1864 eingereicht).
Herr Dr. Poensgen hat in meinem Laboratorium eine Unter-
suchung ausgeführt, deren Resultate ich hier auf seinen Wunsch
mittheile.
Im Carbamid lassen sich 1 At. oder vielleicht mehrere Atome
Wasserstoff durch andere Radicale ersetzen. Es war vorauszusehen,
dass, wenn es gelänge, diese Ersetzung durch die Elemente des
Cyans auszuführen, das entstandene Cyancarbamid ein sehr
interessantes chemisches Verhalten zeigen würde. So könnte das
Cyancarbamid durch Aufnahme der Elemente von Wasser in Biuret
übergeführt werden:
(CO (CO,H
N2 CN,H+OH2=N3 CO,H;
Ih2 |h3
eine Reaction, die indess bis jetzt nicht beobachtet wurde. Dagegen
gibt das Cyancarbamid durch Aufnahme von Wasser und Abgabe
von Ammoniak Veranlassung zur Entstehung der Dicyansäure:
(CO (CO
N2 jCN, H 4- oh2 = N2 CO 4- nh3.
(h2 /h2
Cyancarbamid entsteht leicht durch Einwirkung vou trockenem
Jodcyan auf Carbamid im zugeschmolzenen Rohre bei 120 bis 140°,
nach der Gleichung:
ICO (CO
N2 H2+JCN = N2 CN,H-j-JH.
(H2 (h2
Das bei dieser Reaction auftretende Jodwasserstoff bewirkt gleich-
zeitig das Zerfallen eines Theiles des Carbamides in Jodammonium
und wohl ohne Zweifel die Elemente der Cyansäure, die aber bis
jetzt nicht nachgewiesen wurden. Das Product der Reaction ist
eine nach dem Erkalten feste durch ausgeschiedenes Jod braun ge-
färbte Masse, aus der durch Wasser Jodammonium ausgezogen wird,
während der gebildete, darin wenig lösliche Cyanharnstoff als gelbes
amorphes Pulver zurückbleibt. Cyancarbamid ist ausgezeichnet durch
grosse Beständigkeit, es kann bei schwacher Glühitze scheinbar
ohne alle \7eränderung sublimirt werden, sogar so, dass dadurch
die Elementaranalyse erschwert wird. In Wasser löst es sich nicht
und wird nicht dadurch verändert; in concentrirter Salpetersäure
oder Schwefelsäure löst es sich beim Erwärmen reichlich, wird
aber durch Verdünnen unverändert wieder abgeschieden. Dagegen
wird es leicht verändert durch Alkalien, in deren wässriger Lösung
es sich leicht und anfangs unverändert löst, so dass es durch Essig-
säure wieder abgeschieden werden kann; erwärmt man aber eine
solche Lösung, so entwickelt sich reichlich Ammoniak, und es ent-