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Gerlach: Cicero.

weibliches Gemüth es bringen kann, wenn Medea so mit kalter
Ueberlegung zu dem Morde ihrer Kinder schreitet, das sie selbst
ein εργον άνοβι,ωτατον nennt; sie sieht den höchsten Ruhm ihres
Lebens darin, den Feinden grausam, den Freunden wohlwollend
zu sein. Ja sie hat eine fast höllische Freude an den Qualen
ihrer Feinde u. s. w. Wir haben diese längere Stelle angeführt,
zugleich als Probe der Darstellung des Verfassers, sie mag auch
zu dem einladen, was wir hier nicht weiter verfolgen kön-
nen; das Streben des Dichters, die menschliche Leidenschaft
in aller ihrer Ungebundenheit darzustellen, und durch eine alle
Gränzen überschreitende Darstellung derselben einen Effekt her-
vorzubringen , wird dabei wohl in Betracht zu ziehen sein und
mag ihn veranlasst haben, zu solchen Zwecken besonders weibliche
Charaktere sich zu wählen. Im Uebrigen verweisen wir auf die
Schrift selbst, die auch noch Manches Andere zur richtigen Wür-
digung und Erklärung der Dramen des Euripides bietet.

Mar cus Tullius Cicero Redner, Staatsmann, Schriftsteller.
Ein akademischer Vortrag von Fr. Dor. Gerlach, Pro-
fessor der alten Literatur und Oberbibliothekar. Basel und
Ludwiqsburq. Druck und Verlaq von Balmer & Riehm. 1864.
56 S. in gr. 8.
Es kann nur erfreulich sein, wenn auf die argen Verun-
glimpfungen und Schmähungen, in denen man sich jetzt über
die Person Cicero’s, seinen Charakter und seine schriftstellerischen
Leistungen gefällt, um wo möglich, die faule Schuljugend, die
nicht ordentlich Latein lernen will, in dem Wahn zu bestärken,
wie Recht sie daran habe, mit dem Studium der Schriften eines
solchen Stümpers sich nicht zu plagen, nun auch die gewichtigen
Stimmen gründlicher und erfahrener Kenner des römischen
Alterthums sich erheben, und selbst durch Vorträge, die für wei-
tere gebildete Kreise bestimmt sind, die Verdienste eines Mannes
auf’s Neue ins Licht setzen, welche im Laufe von achtzehn Jahr-
hunderten von allen grossen Geistern anerkannt, erst in unserer
Alles begeifernden Zeit grundlose Herabsetzung gefunden haben.
Von diesem Standpunkte aus wird man die vorliegende Schrift
zu betrachten haben, welche in schönen Zügen ein Bild der geistigen
Thätigkeit Cicero’s zu zeichnen unternommen hat und hier selbst
in die einzelnen Leistungen derselben, wie sie in den einzelnen
Schriften Cicero’s noch jetzt vorliegen, und deren Würdigung
eingeht, wobei neben der rednerischen Thätigkeit auch die damit
verbundene politische und staatsmännische Thätigkeit eines Mannes
geschildert wird, der sein Leben seiner politischen Ueberzeugung
zum Opfer gebracht hat, wozu schwerlich irgend einer von denen
 
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