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Müller: Die Wissenschaft der Sprache.

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lenen und Barbaren ist erst seit der Epoche Alexanders und in
Alexandrien bemerkbar. Dem von den Ptolemäern begünstigten und
geförderten Geiste gelehrter Forschung wird die Sammlung von
fremden Uebersetzungen (der Schriften Zoroaster’s, des A. T. u. a.)
verdankt. — Dass die fremden Sprachen an sich Gegenstand wissen-
schaftlicher Forschung geworden wären, dafür entbehrt der Verf.
der Belege; durch Untersuchungen über die alten Mundarten ihrer
eigenen Sprache wurden die Hellenen zuerst zu Forschungen hin-
geleitet, die wir heute kritisch und philologisch nennen. Der Verf.
beleuchtet die Umrisse einer Grammatik in den Schulen der helle-
nischen Philosophen (Plato, Aristoteles) und gibt eine Uebersicht
über die kritischen Studien des Hellenischen in Alexandrien, und
die sowohl hier wie in Pergamus gleichzeitig eingeleitete Technik,
deren verschiedene Seiten erst durch Dionysius Thrax, einen Schüler
Aristarch’s, der in Rom lehrte, zu einem Lehrgebäude vereinigt
wurden. — Dionysius gab das erste Beispiel einer hellenischen
Grammatik zum Zwecke des Unterrichts an Römer; obschon er
nicht der erste praktische Sprachlehrer in Rom war. Von der Ver-
breitung und Beliebtheit des Hellenischen in Italien nimmt er Ver-
anlassung, darzuthun, wie die lateinische Sprache von der helleni-
schen bald beeinflusst worden war, das römische Vorstellungsleben
von dem hellenischen, in Religion, Recht, Sitte, Kunst, Literatur.
Die Lehrer des Hellenischen, selbst Hellenen, bildeten in Rom einen
eigenen Stand, und waren meist Freigelassene, wie dieses u. A. zu
grosser Belehrung von Sueton in seiner Schrift De viris Romanorum
illustribus *) auseinandergesetzt wird. Für die Anwendung des Helleni-
schen in der Geschichtsschreibung beruft sich der Verf. auf das
Beispiel des Fabius Pictor, der die erste römische Geschichte schrieb.
Der beste Beleg, dass die unteren Stände dem Beispiele der höhern
folgten, tritt in den Lustspielen des Plautus zu Tage, wo viele
hellenische Wörter dem lateinischen Texte beigemischt sind, wie
im vorigen Jahrhundert französische Wörter der deutschen Rede.
Verlust und Gewinn lag für Rom’s Civilisation in diesem Anschluss.
Manche hatten dadurch ihren Unterhalt. Z. B. Livius Andronicus
fristete seinen Unterhalt durch hellenischen Sprachunterricht. Das
römische Volk wollte hellenisches Leben auf der Bühne, woher die
Nöthigung für Plautus rührte, seinen Schauplatz auf Athen zu be-
schränken. Ein Neolog war Emius, der Tragödien und philoso-
phische Werke aus dem Hellenischen ins Lateinische übersetzte,
und für Epicharmus so wie für Euhemerus Propaganda in Rom’s
preciösen Kreisen machte. Seitdem galt hellenisch = ungläubig,
wie französisch (seit den Encyclopädisten) = atheistisch. Diese
allgemeine Anwendung des Hellenischen nöthigte sogar des Ennius
Freund, den alten Cato, noch sich an die Erlernung des Helleni-

*) Vgl. Sueton’s Berühmte Römer; herausgeg. von H. Doergens. Leipzig
1863. bespr. Heidelb. Jahrbb. 1864. Januarheft S. 39 ff.
 
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