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Schuchardt: Der Vokaliemue des Vulgärlateins.
Der Vokalismus des Vulgärlateins von Hugo Schuchardt. Erster
Band. Leipzig. Druck und Verlag von B. Teubner. 1866. XII
und 476 S. in gr. 8.
Bereits in dem Jahre 1860 war von der Wiener Akademie
eine Preisaufgabe gestellt worden, welche eine Sammlung und Be-
arbeitung Alles Dessen verlangte, was aus den uns noch erhalte-
nen Schriftdenkmalen für die nähere Kenntniss des sogenannten
Vulgärlateins, oder der im Munde des Volks geläufigen Sprache,
die in alle Theile der Welt, so weit sie von den Römern be-
herrscht ward, gedrungen ist, der sogenannteu lingua rustica oder
plebeja, im Gegensatz zur aus gebildeten Schriftsprache, zu gewinnen
steht. Die Aufgabe, bestimmt eine fühlbare Lücke unserer Lite-
ratur auszufüllen, blieb unbeantwortet: und allerdings ist sie auch
eine so schwierige, dass zumal bei dem Mangel an allen näheren
Vorarbeiten, welche die Arbeit zu unterstützen vermögen, nicht
wenig Muth und ausdauernde Kraft erforderlich ist, um einem solchen
Unternehmen mit Erfolg sich zu unterziehen, und diese schwierige
Aufgabe in befriedigender Weise zu lösen. Ist es schon von grosser
Wichtigkeit, das Verhältniss dieser Volkssprache zu der uns näher
bekannten Schriftsprache richtig zu erkennen und den Einfluss zu
bestimmen, welchen die eine auf die andere, namentlich in ein-
zelnen Formen und Ausdrücken geübt hat, so ist die nähere Er-
mittlung dieser Volkssprache von gleicher Bedeutung in Bezug auf
die aus dieser Volkssprache mehr oder minder hervorgegangenen
sogenannt romanischen Sprachen, wie sie in ihrer weiteren Ent-
wicklung heute in Geltung stehen.
Der Verfasser des vorliegenden Werkes hat sich dieser schwie-
rigen und mühevollen Aufgabe in einer Weise unterzogen, die alle
Anerkennung verdient und seinem Werke in allen den Kreisen, in
welchen man an derartigen Forschungen Interesse nimmt, eine
günstige Aufnahme verspricht; und dazu beizutragen ist der nächste
Zweck dieser Anzeige, da eine eingehendere Besprechung aller der
hier in Betracht kommenden Fragen und eine nähere Kritik des
Einzelnen die uns hier gesteckten Gränzen weit überschreiten würde.
Der erste Abschnitt verbreitet sich über die Quellen, aus wel-
chen unsere Kenntniss dieser römischen Vulgarsprache jetzt zu ge-
winnen steht, und wird in Bezug auf diese Quellen das Jahr 700
n. Chr. als die Gränze angenommen, bis zu welcher diese lingua
rustica reichte, obwohl, wie ganz richtig bemerkt wird, dieselbe
von den (neueren) romanischen Sprachen nicht plötzlich abgelöst,
sondern allmählig in sie aufgelöst ward; wenn hier nun zwischen
gleichzeitigen und nachzeitigen Quellen zuvörderst unterschieden
wird, so folgt eine weitere Unterscheidung zwischen direkten und
indirekten; den ersten werden alle die Angaben der späteren Gram-
matiker oder Schriftsteller zugewiesen, welche im Einzelnen Eigen-
thümlichkeiten dieser Vulgärsprache zum Gegenstand haben, und
Schuchardt: Der Vokaliemue des Vulgärlateins.
Der Vokalismus des Vulgärlateins von Hugo Schuchardt. Erster
Band. Leipzig. Druck und Verlag von B. Teubner. 1866. XII
und 476 S. in gr. 8.
Bereits in dem Jahre 1860 war von der Wiener Akademie
eine Preisaufgabe gestellt worden, welche eine Sammlung und Be-
arbeitung Alles Dessen verlangte, was aus den uns noch erhalte-
nen Schriftdenkmalen für die nähere Kenntniss des sogenannten
Vulgärlateins, oder der im Munde des Volks geläufigen Sprache,
die in alle Theile der Welt, so weit sie von den Römern be-
herrscht ward, gedrungen ist, der sogenannteu lingua rustica oder
plebeja, im Gegensatz zur aus gebildeten Schriftsprache, zu gewinnen
steht. Die Aufgabe, bestimmt eine fühlbare Lücke unserer Lite-
ratur auszufüllen, blieb unbeantwortet: und allerdings ist sie auch
eine so schwierige, dass zumal bei dem Mangel an allen näheren
Vorarbeiten, welche die Arbeit zu unterstützen vermögen, nicht
wenig Muth und ausdauernde Kraft erforderlich ist, um einem solchen
Unternehmen mit Erfolg sich zu unterziehen, und diese schwierige
Aufgabe in befriedigender Weise zu lösen. Ist es schon von grosser
Wichtigkeit, das Verhältniss dieser Volkssprache zu der uns näher
bekannten Schriftsprache richtig zu erkennen und den Einfluss zu
bestimmen, welchen die eine auf die andere, namentlich in ein-
zelnen Formen und Ausdrücken geübt hat, so ist die nähere Er-
mittlung dieser Volkssprache von gleicher Bedeutung in Bezug auf
die aus dieser Volkssprache mehr oder minder hervorgegangenen
sogenannt romanischen Sprachen, wie sie in ihrer weiteren Ent-
wicklung heute in Geltung stehen.
Der Verfasser des vorliegenden Werkes hat sich dieser schwie-
rigen und mühevollen Aufgabe in einer Weise unterzogen, die alle
Anerkennung verdient und seinem Werke in allen den Kreisen, in
welchen man an derartigen Forschungen Interesse nimmt, eine
günstige Aufnahme verspricht; und dazu beizutragen ist der nächste
Zweck dieser Anzeige, da eine eingehendere Besprechung aller der
hier in Betracht kommenden Fragen und eine nähere Kritik des
Einzelnen die uns hier gesteckten Gränzen weit überschreiten würde.
Der erste Abschnitt verbreitet sich über die Quellen, aus wel-
chen unsere Kenntniss dieser römischen Vulgarsprache jetzt zu ge-
winnen steht, und wird in Bezug auf diese Quellen das Jahr 700
n. Chr. als die Gränze angenommen, bis zu welcher diese lingua
rustica reichte, obwohl, wie ganz richtig bemerkt wird, dieselbe
von den (neueren) romanischen Sprachen nicht plötzlich abgelöst,
sondern allmählig in sie aufgelöst ward; wenn hier nun zwischen
gleichzeitigen und nachzeitigen Quellen zuvörderst unterschieden
wird, so folgt eine weitere Unterscheidung zwischen direkten und
indirekten; den ersten werden alle die Angaben der späteren Gram-
matiker oder Schriftsteller zugewiesen, welche im Einzelnen Eigen-
thümlichkeiten dieser Vulgärsprache zum Gegenstand haben, und