Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Schuchardt: Der Vokalismus des Vulgärlateins. . 875
in so fern direkte Mittheilnngen bilden, übrigens ihrer Natur nach
immer nur auf Einzelnes beschränkt sind; manche, erst in der
neuesten Zeit uns bekannt gewordene Glossen oder ganze Glossa-
rien kommen hier allerdings sehr in Betracht. Bei den indirekten
Quellen wird unterschieden in monumentale Quellen, welche den
direkten mehr sich annähern, und in methodische Quellen; zu den
erstem werden gerechnet Inschriften (bei deren Benützung freilich
alle Vorsicht anzuwenden ist, um nicht aus einer unächten In-
schrift Beweise und Schlüsse zu nehmen) Diplome und Handschriften :
es wird S. 13 ff. ein genaues Verzeichniss der ältesten noch vor-
handenen und bekannten Handschriften gegeben, welche zu dem
Zweck des Werkes benutzt werden konnten, in der That auch in
angemessener Weise benutzt worden sind. Unter den methodischen
Quellen werde solche verstanden, aus welchen »wir unsere Kennt-
niss nur durch Anwendung einer Methode, d. h, durch ausdrück-
liche Berücksichtigung gewisser zwischen dem Beweisenden und
dem Zubeweisenden obwaltenden Beziehungen herleiten; solche
Methoden sind die Vergleichung der lateinischen Sprache mit frem-
den und die Observation der Metrik« (S. 27). Hier tritt insbe-
sondere die Vergleichung des Lateinischen mit den romanischen
Sprachen in ihrer Bedeutung hervor. Weiter bespricht der Ver-
fasser am Schlüsse dieses Abschnittes noch das Verhältniss dieser
Vulgärsprache zu der uns näher bekannten classischen Schriftsprache,
eben weil er es als seine Aufgabe betrachtet, die Abweichungen
vom Classischen aufzuzeichnen. »In vielen Fällen können wir die
Gränze beider Idiome mit ebenso bündigen Worten angeben, wie
Theseus die zwischen Attika und dem Peloponnes: in andern sind
die Merkmale, welche zu ihrer Bestimmung gehören, für unsere
Augen nicht mehr erkennbar. Oft aber ist eine Scheidung schon
der Sache nach unmöglich, indem entweder die Gränze keine con-
stante war, sondern im Laufe der Zeiten sich stets verrückte, oder
zwischen Urbanem und Plebejischem überhaupt kein Gegensatz,
sondern ein allmähliger Uebergang statt fand. Diess Letztere war
besonders bei der Syntax der Fall. Es gibt Wendungen in In-
schriften, von denen wir kühn behaupten können, es sind ausschliess-
lich plebejische, vom Standpunkt der lateinischen Grammatik aus
unmögliche, romanische zu römischer Zeit. Andere z. B. bei Plau-
tus und Petron, tragen durchaus vulgäre Färbung, sind aber doch
der Schriftsprache' gewissermassen angepasst. Endlich, der Stil in
Cicero’s Briefen und in Horazens Satire ist weit volksthümlicher,
als der in den philosophischen Schriften Jenes und in den Oden
Dieses. Zwischen dem, was nur in der gemeinen Sprache vorkam
und von keinem Schriftsteller in Anwendung gebracht werden
durfte, und dem, was nur geschrieben werden konnte und dessen
Gebrauch von der Umgangssprache ausgeschlossen war, liegen un-
endlich viele Abstufungen. Die Verschiedenheit der Sprache nach
dieser Richtung hin war mehr als durch die Verschiedenheit der
 
Annotationen