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Die Literatur über die Königinhofer Handschrift. 595
den Componisten Tomasek zu trefflichen, originellen Werken, der
Tonkunst angeregt hätten.*)
Wir werden am Besten thun, bei diesem Gegensätze der Mei-
nungen den Leser sich sein eigenes Urtheil bilden zu lassen, indem
wir einige Proben vorlegen.
Die Rose.
Ach du Rose, holde Rose!
Musstest du so früh erblühen !
Kaum erblüht traf dich der Frost,
Kaum bereift, so warst du welk,
Kaum verwelkt, so fielst du ab!
Lange sass ich, spät am Abend
Sass bis zu des Hahnes Ruf,
Nichts erwarten könnt’ ich mir
Span und Kien hat ich verbrennt.
Da entschlumm’re ich und träume
Als ob mir, dem Unglückskind,
Von den Fingern rechter Hand
Abgestreift der Goldring würde,
Und der Edelstein entgleite:
Ach den Stein, ich fand ihn nicht —
Des Geliebten harr’ ich noch.
Die Verlassene.
Ach ihr Wälder, dunkle Wälder
Miletiner Wälder**),
Warum grünt ihr immer wieder
Winters, wie im Sommer?
Gerne möcht’ ich wohl nicht weinen,
Nicht das Herz mir quälen;
Aber sagt, ihr guten Leute
Wer sollt’ hier nicht weinen?
Wo mein Vater, lieber Vater?
Ach, ins Grab vergraben!
Wo die Mutter, gute Mutter?
Ach, grasüberwachsen !
Hab’ nicht Bruder, hab’ nicht Schwester
Und mein Trauter — ferne!
*) Gedichte aus Böhmens Vorzeit, Prag 1845, S. 13.
**) Miletin liegt zwischen dem durch seine Naturschönheiten und Wal-
lenstein’schen Erinnerungen, auch durch die Ereignisse des Jahres 1866 merk-
würdigen Jicin und der Festung Königgrätz.
 
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