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Kritiken.

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reichen Texten berührt werden, stellt der belesene und kenntnisreiche
Verfasser in erfreuliche Aussicht.
Nicht mit ebenso ungeteilter Anerkennung lässt sich von der
Darstellung Hausraths (3) sprechen. Wer freilich die meisterlichen
schriftstellerischen Vorzüge dieses mit feinem Kunstempfinden und
erlesenem Geschmack arbeitenden Darstellungstalentes geziemend zu
schätzen weiss, der wird auch an diesem Buche seine Rechnung
finden. Der Vortrag ist von einer gleichmässig fliessenden, schlichten,
fast immer reizvollen Anmut; mit einer an das romanhafte streifenden
Technik verweilt er gern bei anschaulichen Situationsbildern und
gegenständlichem Detail, bei genrehaften und anekdotischen Zügen,
nimmt auf wirksame Abschlüsse, auf Steigerung und Spannung Be-
dacht, streut schalkhafte Pointen, ernste und humorvolle Apergüs aus
(nur der Reichstagsabgeordnete auf S. 314 hätte uns erspart werden
sollen!) und erhebt sich an bedeutsamer Stelle gelegentlich zu schöner
Getragenheit und Wärme des Ausdrucks. Dennoch dürfte dem Buche
ein sonderlicher Erfolg kaum beschieden sein. Unter den gebildeten
Laien wird auch der willigste nur widerstrebend darauf eingehen,
ein Buch von nahezu 400 engbedruckten Seiten durchzuarbeiten, um
über einen nur wenige Monate umfassenden Ausschnitt der Re-
formationsgeschichte unterrichtet zu werden; und der Geschichtskenner
wird zwar mit Vergnügen die prächtige Einkleidung auf sich wirken
lassen, aber im Thatsächlichen oder in dessen Verknüpfung und Ver-
arbeitung sich so gut wie nirgends gefördert, vielmehr zu nicht un-
erheblichen Einwendungen veranlasst fühlen. Ich wüsste nur zwei
Punkte zu nennen, die nach Hausraths Darstellung künftig ent-
schiedener betont werden müssen. Das ist einmal die Thatsache, wie
schlecht es trotz allen seinen gegenteiligen Versicherungen mit Aleanders
Kenntnis der Schriften Luthers eigentlich bestellt gewesen ist (S. 132);
dann die weitere, dass Luthers ausweichende Antwort beim ersten
Verhör (17. April) eine wohlerwogene, im Einvernehmen mit seinen
Beratern zuvor festgestellte Massregel war. Aber dieser wertvolle
Nachweis war von Hausrath bereits in der „Deutschen Rundschau“
geführt und ist hier lediglich wiederholt worden; auch hätte er nicht
so weit zu gehen brauchen, dass er Luthers Befangenheit bei seinem
ersten Auftreten vor der Reichsversammlung unbedingt ableugnete.
Was Luther vorbrachte, war allerdings zweifellos nicht ein Produkt
der Befangenheit, sondern ein weislich bedachter und verabredeter
Gegenantrag; aber dass er diesen Antrag befangen, mit unzuversicht-
licher Haltung vorbrachte, war nicht nur das natürlichste von der
Welt (vgl. dazu auch die von Hausrath S. 265 zitierten Worte des
Mykonius), sondern wird auch, abgesehen von dem anfechtbaren Zeug-
 
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