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Historische Vierteljahrsschrift — 3.1900

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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.60745#0105
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Kleine Mitteilungen.

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des stilus communis nunmehr das ganze 13. Jahrh. hindurch vorhielt,
wenngleich sich der eingewurzelte alte Brauch nicht so leichten Kaufes
verdrängen liess, sondern vielmehr seine alte Stellung wiederzuerlangen
strebte. In den Urkunden Gregors IX. überwiegt noch der Weihnachts-
anfang; aber schon in den Privilegien Innocenz’ IV. ist das Umsetzen
mit dem 25. März wieder dreimal häufiger. In den folgenden Ponti-
ficaten sind beide Stile nebeneinander in Gebrauch, doch so, dass der
stilus Florentinus im allgemeinen doch vorwaltet. Die wenigen Bei-
spiele, die uns für die Zeit Gregors X., Johanns XXI. und Nikolaus III.,
also gerade der unmittelbaren Vorgänger Martins IV., überhaupt zur
Verfügung stehen, Potth. 20 671, 20 801, 21 230, 21 531, scheinen
sogar wieder für die ausschliessliche Vorherrschaft dieser Zählweise
zu sprechen; Weihnachtsanfang weist nur die Kanzleiordnung Niko-
laus III. vom Februar 1278 auf. (Kanzleiordnungen S. 72). Da-
gegen kennen wir nach Martin IV. ausnahmelos nur noch Zeugnisse
für den stilus communis. Zu den schon oben erwähnten 3 Ur-
kunden Bonifaz’ VHI. und Benedikts XI. tritt noch ein Privileg Niko-
laus’ IV., Potth. 22 870 und als wichtiger Beleg die Jubiläumsbulle
Bonifaz’ VUI. vom 22. Februar 1300, Potth. 24 917: „Omnibus in
praesenti anno miUesimo trecentesimo a festo nativitatis domini nostri
Jesu Christi praeterito proxime inchoato . . . plenissimam omnium suo-
rum concedimus veniam peccatorwm.“
Was bei der geringen Zahl der Privilegien vielleicht noch als
Zufall gelten könnte, wird durch die Jubiläumsbulle und vor allem
durch unsere Legatenurkunde als Regel und feste Satzung sicher ge-
stellt. Aus dem bisher Gesagten ergiebt sich aber weiter, dass der
Weihnachtsanfang unter Martin IV. als stilus et mos Romanae curiae
nicht nur herrschte, sondern erst unter ihm endgiltig durchdrang.
Aus Avignonesischer Zeit ist mir kein grosses Privileg bekannt,
das in die Zeit zwischen 1. Januar und 25. März fiele und daher
für unsere Frage entscheiden könnte; doch rechnete die päpstliche
Kammer und, wie aus einer mir bekannten Rota-Urkunde vom 23. Feb-
ruar 1323 und den im 14. Jahrh. gesammelten Decisiones Rotae
Romanae hervorgeht, die Audientia sacri palatii und mit ihr sicher
wohl wenigstens das Justizbureau der päpstlichen Kanzlei nach Weih-
nachtsanfang. Es ist daher durchaus wahrscheinlich, dass man nach
ihm die ganze Avignonesische Zeit hindurch überhaupt zählte, und
dass das Wiederauftauchen des stilus Florentinus in Papsturkunden
des 15. Jahrh. nicht dem Festhalten an einem nie völlig gelockerten
Brauch, sondern freier Neuerung entsprang.
Berlin. M. Tangl.
 
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