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Illustrirte Melt.

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„Gezwungen, das kann für mich keinem Zweifel unter-
liegen !"
„So würde sie die Entlarvung des Abenteurers als
eine Erlösung betrachten?"
„Ganz gewiß!"
„Wohlan, so müssen wir nun Fräulein von Feldern in
unfern Verdacht einweihen, ich hoffe, sie wird schweigen und
mit Geschick sich in die Rolle finden können, die wir ihr
zumuten. Oder glauben Sie das nicht?"
„Es kommt darauf an, welche Rolle es ist!"
„Ich wünsche von ihr nur, daß sie ihren Verlobten dahin
bringt, wo ich ihm begegnen will, Ort und Stunde mag
sie selbst bestimmen. Glauben Sie, daß sie dies thun wird?"
„Wenn ich sie darum bitte, so wird sie es thun," sagte
der Hauptmann nach kurzem Nachdenken, „aber zuvor muß
doch der Londoner Herr hier eingetroffen sein."
„Das ist richtig, aber Sie könnten schon vorher die
Dame benachrichtigen, damit sie vorbereitet ist, sie muß ja
auch noch einen Vorwand ersinnen, um ihren Verlobten zu

dem Spaziergang zu bewegen. Als Ort der Zusammen-
kunft würde ich unsere Kunstausstellung Vorschlägen, der
Baron kann nichts Verdächtiges darin finden, wenn seine
Braut ihn bittet, sie dahin zu begleiten. Wir müssen nun
auch die Sache beschleunigen, Herr Hauptmann, ich fürchte,
vorausgesetzt, daß mein Verdacht begründet ist, der Baron
wartet nur auf die Abnahme der Gerichtssiegel, um mit
dem Nachlaß seines Onkels zu verduften."
„Wenn er nur heute schon verduften wollte!" rief der
Hauptmann erregt. „Die Verlobung wäre dann wieder
gelöst!"
„Aber der Herr Oberst von Feldern erhielte dann nicht
die Mittel, seine Schulden zu tilgen!"
„Würde Ihnen das Kummer machen? Sie hassen ja
die Familie, weil der Herr Lieutenant, von Feldern Ihre
Schwester verfolgt!"
„Jetzt nicht mehr, Herr Hauptmann," erwiderte Ganter
ruhig. „Ich habe dem jungen Herrn den Standpunkt klar
gemacht, und meine Schwester hat auch eingesehen, daß

solche Liebschaft zu keinem guten Ende führen kann, sie ist
nun die Braut eines braven Handwerkers. Sodann auch
darf ich wohl auf eine Belohnung von feiten des Herrn
Oberst hoffen, wenn es mir gelingt, ihm die Erbschaft zu
retten. Nicht für mich, ich begnüge mich gerne mit der
Rückerstattung der Auslagen, die ich gehabt habe, aber für
meinen Bruder, der den angeblichen Baron von Homburg
bis hieher verfolgt und zuerst den Verdacht geweckt hat."
„Wenn die Entlarvung gelingt, so sind Sie berechtigt,
eine angemessene Belohnung zu fordern, und sie wird Ihnen
auch gewährt werden," antwortete der Hauptmann, während
Ganter seinen Rock zuknöpfte und die Handschuhe anzog,
„ich bürge Ihnen dafür, müßte ich das Geld auch aus
meiner eigenen Tasche zahlen. Apropos, vielleicht wird der
Herr Graf von Ellern, mein intimer Freund, Sie heute
besuchen, um Ihnen seine Hilfe anzubieten. Er war früher
mit dem Baron Franz von Feldern eng befreundet, er hat
I ihn hier aufgesucht und den einstigen Freund nicht wieder
! erkannt. Er sprach mit mir offen darüber, und nun teilte

Klspphornverfr.
Nach Skizzen von R. Zchmidt.


Zwei Knaben wollten kegeln
Nach den bekannten Regeln,
Die Kngel tras des einen Bein,
Der andre kegelt Lrnm allein.


Zwei Knaben gingen in eine Konditorei,
Sie wollten sich kaufen Näscherei,
Der eine hat 'nen Pfennig,
Das war etwas zu wenig.


Ein Onkel und 'ne Tante,
Die waren auf dem Lande,
Der Onkel sagt zur Tante:
„Gefällt dir's auf dem Laude?"


Zwei Knaben fuhren Nachen,
Was gibt's Labei zu lachen?
Der eine saß am Ruder,
Der andre war fein Bruder.


Zwei Knaben gingen ins Theater;
Der eine hatte 's Geld vom Vater,
Der andere aber — siche da —
Der hatt' es richtig — von Papa.


Zwei Knaben haben mit Leidenschaft
In eine Schöne sich vergafft;
Nun werden wohl bald Pistolen blitzen?
Ach nein — sic lassen sie beide sitzen.

er unfern Verdacht. Sie dürfen ihm volles Vertrauen
schenken, was er nur thun kann, Sie in Ihren Be-
mühungen zu unterstützen, das wird er gerne thun."
„Gut, ich werde mit ihm beraten," nickte Ganter. „Sie
schreiben also den Brief an die Dame?"
„Er soll heute abend in ihren Händen sein!"
„Sobald der Herr aus London hier ist, komme ich zu
Ihnen, bis dahin leben Sie wohl, Herr Hauptmann!"
Berthold von Galen nickte herablassend und drückte
hinter seinem Verbündeten die Thüre ins Schloß; in der
dunklen Nacht, die ihn umgab, leuchtete ihm nun wieder
eilt Hoffnungsstern, zu dem er mit neuem Mut und Ver-
trauen emporschaute.

Fünfzehntes Kapitel.
Karl Ganter hatte seine Wohnung noch nicht erreicht,
als er auf der Straße mit dem Buchbinder Moritz Wurm
zusammentraf, der ebenfalls mit eiligen Schritten der
Schäferstraße zuwanderte.
Sllustr. Welt. XLXIV. 17.

„Ist eine Besserung eingetreten?" fragte Ganter teil-
nehmend, nachdem er den Gruß des kleinen Mannes er-
widert hatte, dessen Aufregung ihm nicht entgehen konnte.
„Nein," erwiderte Wurm mit bewegter Stimme, „ich
komme aus der Apotheke und ich glaube, daß ich nun die
letzte Arznei für das Kind geholt habe. Sie riecht stark
nach Kampfer, und das ist für mich ein schlimmes Zeichen."
„Hat der Arzt das Kind schon aufgegeben?"
„Er weiß, wie sehr Fräulein Minna an dem kleinen
Wesen hängt, da wird er wohl nicht gerne die Wahrheit
sagen wollen. Wir sollten's noch einmal mit dieser Arznei
versuchen, meinte er, das Kind sei sehr schwach, wenn er's
auch jetzt durchbringe, so müßten wir uns darauf gefaßt
machen, daß die Krankheit sich später wiederholen werde."
„Und wenn es stirbt, so darf Fräulein Lenders sich mit
dem Bewußtsein trösten, daß sie es mit der Liebe und
Sorgfalt einer Mutter gepflegt hat," sagte Ganter.
„Und daß sie dies konnte, verdanken wir in der Haupt-
sache dem Herrn Grafen von Ellern," erwiderte Wurm,

die treuherzigen Augen zu seinem Begleiter erhebend, „er
hat das Kind sofort besucht und mit vollen Händen ge-
geben, was wir von dem Vater vergeblich forderten."
„Der Baron von Feldern hat nichts von sich hören lassen?"
„Nichts, ich wollte lieber auf der Landstraße Steine
zerklopfen, als noch einmal zu ihm hingehen und ihn an
seine Pflicht erinnern."
„Und wie urteilt der Graf von Ellern darüber?"
„Er ist zu nobel, um sich darüber auszulassen, er hat
nur gesagt, er kenne den alten Freund nicht mehr, der früher
so ganz anders gedacht und gehandelt habe."
„Freilich, es ist schwer zu begreifen, daß ein Vater so
an seinem Kinde handeln kann," sagte Ganter mit einem
forschenden Blick aus den kleinen Mann, „man möchte daraus
fast den Schluß ziehen, daß jener Herr gar nicht der Baron
von Feldern ist!"
„Das habe ich auch schon vermutet!"
„Nur aus diesem Grunde? Oder sind für Sie noch
andere Gründe vorhanden?"
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