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K KchlliMrMigßW Jahrgang. W


M Stuttgart, Leipzig, Rrrtin, Wien.

Die Oeundmül7ie.
Kriminalroman
von
Ariedrich Iacoöse«.
<Fortsetzüng)
^Honnte dieses Gebahren wirklich mit dem gewöhn-
lichen Auftreten eines schuldbeladenen, feigen
Mörders, obendrein eines Vatermörders, in
Einklang gebracht werden?
Wer eine so unnatürliche, grauenhafte That
vollbracht hat, den peitschen hinterdrein die Furien des
Gewissens, der bricht wie ein gehetzter Wolf durch die
Büsche und möchte bis ans Ende der Welt laufen, um
zwischen sich und sein starres Opfer wenigstens den Raum

zu legen, weil er das Vergessen nimmermehr zu finden
vermag.
Klaus Merten konnte kein Mensch, er mußte ein Un-
geheuer sein, wenn er im stände war, anders zu handeln.
Aber es gibt solche stumpfe Ungeheuer, das allein war
kein Beweis gegen die belastenden Thatsachen.
Anders verhielt es sich mit dem zweiten Punkte.
Die Wunde, welche der Hund des Ermordeten an
seiner Vorderpfote trug, stammte nach dem Gutachten des
Arztes von einem Messerschnitt.
Kurz vor der That hatte das Tier diese Wunde noch
nicht gehabt, kurz nach derselben war sie bemerkt worden.
Stein selbst hatte sie ja gesehen, als er sich an jenem
Abend der Grundmühle näherte, um Auskunft über den
Weg zu erhalten.
Unmittelbar bevor der Schuß fiel, hatte das Tier
heftig gebellt und getobt, es erschien daher fast gewiß, daß
es mit dem auf der Chaussee stehenden Mörder zusammen-

getroffen und von diesem verwundet worden war, wahr-
scheinlich im Anspringen durch einen Schnitt oder Hieb mit
irgend einer scharfen Waffe.
Klaus Merten hatte sicherlich bei seiner Entlassung
aus dem Zuchthause eine derartige Waffe nicht besessen,
aber er konnte sie ebenso gut gestohlen haben, wie er das
Gewehr entwandte.
Aber hatte denn der Hurld den heimkehrenden Sohn
seines Herrn nicht erkannt? Wäre es nicht natürlich ge-
wesen, wenn er jenem freudig entgegensprang, anstatt ihn
wütend anzufallen?
Freilich, Klaus Merten war zwei Jahre von Hause
abwesend und er kehrte so ganz anders zurück, als er weg-
ging, aber das treue Gedächtnis eines Hundes überbrückt
Zeit und Umstände, das läßt sich kaum auf Augenblicke
täuschen.
Hier lag ein Widerspruch, welcher aufgeklärt werden
mußte.


Thüringer Dorfstratze in Rotzr bei Suhl. Gemälde von E. Zschimmer. (S. 83.)

Illustr. Welt. 1890. 4.

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