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—KchluMreMBer Jahrgang. U-

17. Hrst.

M Süliigarh Leippg, Rerlin, Wien. W—

Am ^lktoria-Uoama.
Eine Erzählung aus Ostafrika
von
H. Klster.
VII.
^^XHtrahlend stieg das glänzende Gestirn des Tages an
dem wolkenlosen Himmel empor, hervortauchend
aus dem bläulichen Dunstmeer, welches über dem
östlichen Horizont des Viktoria-Nyanza lagerte. Der Wind
war mehr nach Osten umgesprungen und blies scharf und
kühl über die in dem Strahle der Morgensonne wie flüssiges
Silber glitzernde Wasserfläche, dieselbe zu kleinen Wellen
aufkräuselnd, die murmelnd an das grüne Gestade schlugen.
Zerzaust von dem rasch vorübergezogenen nächtlichen
Gewittersturm, standen die Bananenhaine des Dorfes an
der Bukabai da; hie und da hatte der Sturm auch einen
vielleicht hundertjährigen Feigenbaum oder eine schlanke

Palme zu Boden geschmettert und das kegelförmige Dach
der Hütte eines armen Bauern zertrümmert. In dem
Urwalde selbst, der das Thal umkränzte, hatte der Wind
ebenfalls arge Zerstörungen angerichtet und die Wildnis
der Farne, Akazien, Kaktus und Tamarindenbüsche noch
wirrer und unzugänglicher gemacht, als es ehedem gewesen.
Aber die lachende Sonne, der gewaltige See mit seiner
Wald und Feld befruchtenden Feuchtigkeit, die unendliche
Fruchtbarkeit der tropischen Natur — das alles würde
bald jede Spur dieser nächtlichen Zerstörung wieder ver-
wischt und die Lücken, welche hier und da der Sturm in
dem Bestände der schlanken Bäume des Urwaldes gerissen
hatte, durch ein grünes Gewirr von breitblätterigen Schling-
pflanzen ausgefüllt haben. Deshalb kümmerten sich auch
die Bewohner Bukas wenig um die Verwüstungen des
Sturmes; viel gefährlicher schien ihnen der nächtliche
Kampf, welcher da droben um das Missionshaus aus-
gesockten war, und besorgt blickten sie bei dem ersten
Schimmer des Tages zu der Anhöhe empor, ob das Ge-
höft noch stände. Und das Haus der weißen Männer-
stand noch ebenso stattlich da, wie früher! Nur fest ver-

schlossen waren die Zugänge und niemand zeigte sich wie
sonst am Morgen, um zu Ankäufen der verschiedensten
Art zum Dorfe herunter zu kommen. Sollte der Feind noch
in der Nähe sein?
Aengstlich harrten die Dorfbewohner in ihren Hütten
einige Stunden, aber die ^onne stand schon hoch am
Himmel und ein Feind ließ sich nirgends blicken. Ruhig
lag der Wald da, nur der frische Ostwind säuselte und
raschelte in dem Laubwerk. Und allmälich wagten sich
einzelne der Bewohner des Thales aus ihren Hütten her-
vor; vorsichtig sich umschauend, liefen sie nach der Mission,
um über die Vorgänge der Nacht Erkundigungen^ einzu-
ziehen. Als diese ersten unbehelligt blieben, schlossen sich
ihnen immer mehr und mehr an und schließlich wanderte
fast die gesamte Einwohnerschaft des Thales zur Mission.
Hier erfuhren sie zu ihrem Schrecken, daß es der gefürch-
tete Magassa gewesen war, welcher die Mission angegriffen
hatte.
„Das ist schlimm, das ist sehr schlimm," sprach, traurig
mit dem Kopfe schüttelnd, ein alter Bauer zu Mirambo.
„Glaubt mir, Magassa läßt es nicht bei diesem einen

Zwei Blumenmacherinnen. Gemälde von E. Nowak. (S. 406.)


Jllustr. Welt. 1890. 17.

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