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W AchlunddkHlBer Jahrgang.


—M Ztuitgarh Leipzig, Rrrlin, Wien. W


in Sachsen. Origmalzeichnung von R. Püttner (

Schloß Lauenstein

27

WMVW

des Hofes, stößt mit dem Fuße die nur angelehnte Hinter-
pforte auf und tritt hinaus ans Ufer des dicht hinter dem
Gehöfte vorbeiströmenden Fließes. Mehrere schmale und
flach gebaute Kähne liegen hier angekettet. Der junge Mann
legt seine Sachen in das kleinste dieser Fahrzeuge, in das er
selbst hinterhersteigt, er löst die Kette, stemmt ein stangen-
ähnliches Ruder gegen die Uferböschung und wendet den
Kahn mitten in das vielleicht nur zwölf Schritte breite
Fließ. Der Zug des schnell dahinfließenden Wassers be-
ginnt zu wirken, die Stange in der Hand des Rudernden
hilft kräftig nach und in fast geräuschloser Geschwindigkeit
zieht das Gefährt seine zu Thal führende Bahn. Es ist

ein wonnevoller Morgen. Die Erlen am Ufer streuen
tanzende Schatten aus die goldig flimmernde Flut.
Zwischen saftgrünen Wiesen binourch geht die Fahrt. Ab
und zu taucht dicht am Gestade ein malerisches Gehöft
auf; aber kein Mensch in demselben wird sichtbar, nur
ein wachsamer Hund stürmt ans Ufer und begleitet eine
Strecke lang mit lautem Gekläff das vorübereilende Boot.
Dann wird es wieder still, und der junge Mann genießt
aufs neue den zauberhaften Frieden eines Psingstmorgens
im Spreewalde. Ach, wie viel solche Morgen hat er
hier als glücklich-unbefangener Knabe verlebt! Im Pfarr-
hause nahe der alten Kirche hat er das Licht der Welt

über die Erlen des
lagen die Bewoh-
ner der zwischen
vielen Wasserläufen
zerstreuten Gehöfte in „ihren
Betten und genossen die längere
Morgenruhe des kirchlichen Fest-
tages ; aber in Wald und Wiese
zirpte, flötete und zwitscherte
schon das muntere Heer der ge-
flederten Frühlingssänger, unter
denen die Nachtigall zahlreich
vertreten war.
Im niedrigen Fremdenstüb-
chen des „Schwans" packt ein
junger Mann die letzten Sie-
benfachen zu seinem Morgeu-
ausfluge zusammen. Vielleicht
der Einzige in der weit aus-
gebreiteten Ortschaft ist er schon
vor Sonnenaufgang aus den
Federn gekrochen, um in sein
kurzes braunes Sammetröck-
chen zu schlüpfen und sich den
Strohhut auf die von blondem
Kraushaar umbuschte Stirn zu
drücken. Jetzt schiebt er ein
hölzernes Kästchen unter den
Arm und uimmt Blendrahmen,
Schirm und eine aus dünnen
Stäben gefügte, zusammenleg-
bare Staffelei in die Hand,
dann verläßt er das Zimmer,
geht leise die Stufen einer
wurmzerfressenen knarrenden
Holztreppe hinab und tritt nach
Durchschreitung des mit roten
Ziegeln gepflasterten Hausflurs
in den Hof des Kruges. Tiefe
Schatten nisten noch in den
Winkeln des von Scheunen und
Stallungen umgebenen Hof-
raumes; die eben erst aufge-
gangene Sonne kann noch nicht
über die Dachfirste herüber-
lächeln; aber schon rucksen die
Tauben in den Fluglöchern des
Schlages, schon scharrt das
Hühnervolk vor den Stall-
thüren, und Pluto, der große
schwarze Hofhund, hat schon
sein Strohlager verlassen und
schwänzelt vertraulich an den
Gast des Hauses heran. Dieser
nickt dem Tiere freundlich zu
— er hat keine Hand frei, um
ihm den klugen Kopf zu krauen
— durchmißt dann die Länge
Jllustr. Welt. 1890. 9.

Im Spreemald.
Erzählung
von
Gerhard von Amyntor
(Dagobert von Gerhardt).
(Alle Rechte Vorbehalten.)
^ß-MIie Sonne des zweiten Pfingsttages kam eben
' - " ' " Dorfes herauf. Noch




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