Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
-M KchliiMkMlMx Aahrgang. U


Zu Ehren gekommen.
Eine Erzählung aus dem KinzigLhal.
Von
K. Steindorf.

(Schluß.)
^^^tunden waren vergangen, seit der Eichberger sein
H^us verlassen, noch immer saß er droben aus
der einsameu Bank und überdachte sein ganzes
vergangenes Leben. Freudiges und Schmerzliches war an
seinem Geiste vorübergezogen, doch durfte er befriedigt
zurückschauen, er hatte seine Pflicht gethan.
Die Sonne stand tief über den westlichen Bergen, das
Thal lag schon im Schatten und nur die Höhen waren
noch von der Sonne beschienen, als er endlich mit der
Hand über seine Stirne fuhr und die träumenden Blicke,
die wie gebannt an der herrlichen Umgebung hingen, auf
seinem Heimatdorfe haften blieben. Einmal war ihm ge-
wesen, als höre er das Rollen eines Wagens, dann vom
Hofe her das Bellen seines Hundes, dann war alles
wieder still geworden. Von der Kapelle drüben tönte jetzt
das Abendläuten. Ein stilles Dankgebet zog durch seine
Seele. Der Himmel hat sich ihm gnädig erwiesen, er ist
ein glücklicher Mann. Segen ruht auf seiner Arbeit, ein
treues Weib und gute Kinder stehen ihm zur Seite, ein
liebendes Mutterherz denkt seiner in jeder Stunde, was
gäb' es noch, das ihm zu wünschen übrig blieb? Doch,
eins, das sein ärmster Stallbub vor ihm voraus hatte:
einen Vater! Warum mußte ihm gerade heute dieser
Gedanke kommen, heute, wo er sich so glücklich gefühlt?
Sein Gesicht ward finster; er hörte nicht die nahenden
Schritte, da plötzlich rief eine bekannte Stimme seinen
Namen. Ueberrascht wandte er den Kopf und sah seinen
ehemaligen Herrn herankommen. Freudig sprang er auf
und begrüßte ihn aufs herzlichste, er wollte sofort mit
seinem Gaste den Rückweg antreten, doch dieser bat:
„Bleib ganz ruhig, ich setze mich zu Dir. Wie wunderbar
schön ist es hier, wie froh bin ich, daß ich mir den Weg
da herauf zeigen ließ, bei diesem Anblick muß einem das
Herz aufgehen!"
Heiner war ganz glücklich über den unerwarteten Be-
such und freute sich, daß dem Oberst die Gegend so wohl
gefiel; er machte auf einige besonders schöne Punkte auf-
merksam und erzählte zuletzt auch, welch ein Ehrentag
heute für ihn gewesen. Mit kräftigem Händedruck wünschte
der Oberst ihm Glück zu seiner neuen Würde, der er ge-
wiß gewachsen sei, endlich sagte er noch: „Dieses Plätzchen
ist wie geschaffen zum Erzählen, ich kenne beinahe Dein
ganzes Leben, ich denke, es interessirt auch Dich, etwas
aus meiner Vergangenheit zu hören.
„Mein Vater war ein mittelloser bürgerlicher Offizier,
meine Mutter die einzige Tochter eines adelsstolzen, reichen
Mannes. Sie opferte Vater, Bruder, Reichtum und Vor-
urteile, hörte nur die Stimme des Herzens und zog mit
dem, der ihr mehr als alles galt.
„Das ist eine schon oft dagewesene alte Geschichte,
spricht sich leicht aus und hört sich kurz an, hat aber oft
mehr Leid im Gefolge, als ein Menschenherz ertragen
kann. So auch hier.
„Meiue Eltern hatten den Großvater nachträglich zu
versöhnen gedacht, er war härter, als sie gemeint, alle an
ihn gerichteten Briefe kamen uneröffnet zurück. Endlich
auf einen, der durch List in seine Hände gespielt wurde,
kam Antwort. Ohne Überschrift enthielt das Papier nur
drei. Zeilen. Meine Ermahnungen schlugst Du iu den
Wind! Verschone mich mit Bitten, keines Deiner Worte
wird je mein Ohr erreichen, auch sie werden vom Winde
Jllustr. Welt. 1890. 22.


Alte Bekannte. Originalzeichnung von C. Aug. Geiger. (S. 519.)

67
 
Annotationen