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Jäger, Hermann
Gartenkunst und Gärten sonst und jetzt: Handbuch für Gärtner, Architekten und Liebhaber — Berlin, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.20105#0088

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Dritter Abschnitt.

se 01.^

Gärten im Mittelalter.

Wir sind gewöhnt, daö Mittelalter als eine Reihe von fnr die Knnst toter Jahr-
hunderte anzuschen, wo alte Herrlichketten zerstört, aber keine nenen Knnstwerke geschasfen
wnrden. Aber „der Bruch mit der römischen Vergangenheit ist in Jtalien niemals so
vollkommen gewesen, als man znweilen angenommen hat", sagt unter andern Julius
Rodenberg (in: „Die Weltlitteratnr und der moderne Staat" in der „Rundschau" 1880),
und im gleichen Sinne spricht sich Lübke in „Die Knltur der Frührenaissance in Jtalien"
aus. Jm oströmischen Reiche erhielt sich römisches Wesen, wenn auch entartet, bis zum
Verfalle des Reichs dnrch die Erobernngen der Türken, und den zerstörenden Vandalen
folgten in Asrika und Spanien die Manren mit ihren Künsten des heitern Lebens, welche
sich in Sizilien und Süditalien mit den Resten römischen Wesens vermischten. So fanden
noch die Hohenstaufen Süditalien nnd verpflanzten einigen Schimmer davon nach diesseits
der Alpen. Wie überall in der Geschichte der Völker sind die Uebergänge nicht
plötzlich gewesen, und so haben sich nicht nur Schriften über Gärten, sondern auch alt-
römische Villen- und Gartenanlagen so erhalten, daß ihre Erinnerung nicht verloren ging.
Die erobernden Goten lebten viele Menschenalter mit den Römern zusammen, wenn
auch feindlich. Sie nahmen Besitz von den römischen Villen und Schlössern, wohnten
darin nnd haben sie wohl auch notdürftig erhalten, vielleicht sogar nach ihrem Geschmacke
verschönert. Totila, der Neffe von Witigis (Wittigis nnd Witichis), bewohnte Hadrians
Villa bei Tivoli, und der große Theoderich (490 n. Chr.) ließ die alten römischen Gärten
in Ravenna, welche damals bis an das Meer gingen, wieder prächtig herstellen. Sie
hatten noch römische und griechische Tempel. Felix Dahn giebt (in „Kampf um Rom"*)
davon eine Beschreibnng und sagt, daß sie ganz nach römischer Weise eingerichtet gewesen;
der Schildernng nach waren sie indessen mehr nach der damaligen Mode von Byzanz.
Einmal nennt er den Gärtner des Witichis, damals noch einfacher Edelmann, nachmals
Theoderichs Nachfolger, einen Gelehrten, der die Natur und röinisches Wesen in den
Gärten wohl verstanden habe. Von dem Gartcn des Römers Cassidorus, eines trenen
Anhängers Theoderichs, heißt es, daß darin der Bnchsbaum in Kreuzform gezogen gewesen.
Jn der „Villa Fäsnla", bei dem jetzigen Fiesole im toskanischen Gebirge, will man eine

*) Abermals beziehe ich mich aus einen Noman, aber der Verfasser ist ein so gründlicher Forscher
der Geschichte, daß er, wenn er auch etwas „sabuliert" hat, Angaben wie die obigen nicht erfunden
haben wird.
 
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