Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jäger, Hermann
Gartenkunst und Gärten sonst und jetzt: Handbuch für Gärtner, Architekten und Liebhaber — Berlin, 1888

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20105#0285

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Abweichungen vom französischen klassischen Stil.

269

die sadeste Spielerei aus; anderseits näherte man sich, der Steisheit und Eckigkeit der
geraden Linien müde, unbewußt der ungekünstelten Natur. Mauchem mag eiu
solches Hiuneigen mit der Zeitrichtung unvereinbar erscheincn, und doch ist der
Uebergang leicht erklärlich, wenn auch Ueberdruß an der peiulichen Anordnung der
Le Notreschen Gärten mehr dazu beitrug, als Verständnis der natürlichen Schöuheit.
Man baute schon zur Barockzeit iu den mit den regelmäßigeu Gärten verbundenen Wald-
stücken Felsengrotten, Wasserfälle, Ruinen, Eremitagen, Tempel rc., und schus so ein Stück
Romantik, welches viel besser in das solgende Zeitalter paßte und den Uebergang sehr
erleichterte. Ob die aus Hecken gebildete Ruinen-Architektur, aus dem Garten vou Auguien
in Frankreich ihr Dasein einem romantischen Zuge verdankt, oder, wie einst in den
Gärten von Hatsield iu Englaud nur Kunststücke eines absonderliches wollenden Gärtners
waren, wage ich nicht zu entscheiden. Mag es auch Wenigen bewußt gewesen sein, so gab
es doch schon Einzelne, welche die Unnatur der bestehenden Gärten erkannten und ihr
baldiges Ende herannahen sahen. Jch will jedoch damit nicht sagen, daß die Gärteu des
Rokokogeschmackes eiuen naturgemäßen Uebergang zu den Landschaftsgärten bilden, denn
beide sind zu himmelweit verschieden, sondern nur, daß sie ihn erleichterteu, sei es auch
uur durch Ueberdruß an dem Bestehenden.

Dieser Zustand dauerte bis über die Mitte des 18. Jahrhunderts, nachdem von
England jene Bewegung ausgegangen war, welche uns in den folgenden Abschnitten be-
schäftigeu wird. Kamen auch noch Gärten, darunter selbst große wie Sanssouci, gleichsam
als Nachzügler im Le Notreschen Stil vor, so waren sie doch schon von dem Hauche der
neuen Richtung berührt, denn die „Heckenstädte" traten nur noch schüchtern aus, während
man den sreien Waldpartien mehr Raum gestattete.

Jch will hier noch eine Bemerkung machen, die, soviel ich weiß, noch niemand aus-
gesprochen hat. Die Hecken und beschnittenen Bäume dieses Stils können zur Zeit, als
diese Gärten im höchsten Glanze dastanden, unmöglich einen guten vollkommenen Eindruck
gemacht haben, denn sie waren gleichsam unsertig, noch nicht erwachsen. Wer die Hecken-
zucht kennt, weiß, wie lange deren Ausbildung dauert. Die Bäume können ebensalls nur
mäßig groß gepflanzt worden sein. So müssen jene Gärten erst lange nach der Anlage
den Eindruck des Fertigen gemacht haben, manche wohl erst, als ihre Zeit bereits dem
Ende nahe war. Die gerühmte Pracht bestand, wie es scheint, hauptsächlich in künstlichen
Wasserwerken, Bauwerken, Statuen und anderen Kunstgegenständen.

WückbLick.

Wir stehen an der Scheide, wo der bis dahin alleiu herrschende regelmäßige Garten-
stil dem natürlichen oder landschaftlichen weicheir mußte. Daß ersterer nicht vollständig
verworfen worden ist, werden wir in den folgenden Darstellungen kennen lernen. Aber
in der Hauptsache haben wir es von nun an nur mit deu Landschaftsgärten zu thun.
Alles, was vor der Römerzeit liegt, als nur schwach begründet, unberücksichtigt lassend,
beginnen wir mit den Gärten der Römer. Da dieselben ihre Villengebäude ganz dem
Bedürfnis anpaßten, also eine strenge Symmetrie wie nachmals zur Renaissancezeit nicht
vorgeschrieben war, so war dies auch mit den Gärten der Fall. Sie dienten, wie wir
wissen, blos zur Ausfüllung der Räume zwischen den Gebäuden und der nächsteu Umgebuug,
 
Annotationen