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Jäger, Hermann
Gartenkunst und Gärten sonst und jetzt: Handbuch für Gärtner, Architekten und Liebhaber — Berlin, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.20105#0196

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Sechster Abschnitt.

Die Gärten im sogenannten holländischen Stil/ch

Jn manchen Gartenbüchern, aber auch in Reisebüchern und Beschreibungen u. a. O.
findet man ost die Bezeichnung „holländischer Gartenstil" oder „Garten im holländischen
Stil". Es gibt aber keinen besondern holländischen Gartenstil, sondern nur Ausartungen
und Verstümmelungen des alten regelmäßigen Stils, den wir im vierten Abschnitt
kennen lernten, nach holländischer Manier; desgleichen Abänderungen des von Le Notre
geschaffenen altfranzösischen Stils, mit welchem sich der solgende Abschnitt beschäftigt.
Der sogenannte holländische Stil war vor dem sranzösischen Stil da und sand schon 1450
in England Nachahmung (Uousuoll, -Oa.8t1s u. a.), so daß man glauben

könnte, er habe sich unabhängig von der Renaissance in Holland selbst gebildet. Dann
bemächtigte er sich dieses letzteren, unr ihn nach den Gewohnheiten und Anschauungen
des Landes zu verändern. Jn beiden Fällen war die Umwandlung eine Verschlechterung,
ein Uebergang zur Geschmacklosigkeit. Holland hatte von jeher wenig großen Grundbesitz,
daher auch nur kleiue Gärten. Um nun diese in der Ebene in ganz reizloser Umgebung
liegenden Gärten unterhaltender zu machen, versielen die Holländer, deren sich keiner ihrer
großen Maler annahm, auf kindliche Spielereien und Anhäusung von sremden, zum Teil
ganz und gar nicht in einen Garten passende Gegenständen. Diese Neigung zum Sammeln
wurde noch durch die vielfachen überseeischen Verbindung dieses Handelsvolkes begünstigt,
indem der Holländer manche Dinge in sremden Landern kennen lernte, von denen man ander-
wärts keine Ahnung hatte. Manche Gegenstände mochten wohl weniger aus Wohlgesallen
daran, als zur Erinnerung aufgestellt wordcn sein. An die peinlichste Ordnung und
Reinlichkeit in den Wohnungen gewöhnt, trugen sie diesen Sinn auch in den Garten,
thaten damit aber den Naturgegenständen einen für das Schönheits- und FreiheitS-
gefühl unerträglichen Zwang an. Man braucht zur Bestätigung dieser Ansicht nur
daran zu erinnern, daß in den holländischeir Gärten nicht nur aller Baumwuchs durch
Beschneiden künstlich geformt wurde, sondern daß man auch die Stämme der Bäume weiß
anstrich, um sie schöuer und sanberer zu machen und ihnen das Ansehen von Säulen
zu geben. Aber nicht nur Mangel an Geschmack, sondern auch die Beschaffenheit des Landes
trug dazu bei, den Gärten ein besonderes Ansehen zu geben. Der Ueberfluß an Wasser

*) Da die hier gemeinten Gärten teils vor, teils gleichzeitig mit dem französischen Stile bestanden,
so stelle ich sie zwischen den Barock- und französischen Stil.
 
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