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Jäger, Hermann
Gartenkunst und Gärten sonst und jetzt: Handbuch für Gärtner, Architekten und Liebhaber — Berlin, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.20105#0157

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Fünfter Abschnitt.

Vrrbrritung drs RrnsiffLnrrstils. Ausartung
in das Vsrocke und Groteske?)

Die edle Einfachheit des Renaissancestils in der Bauknnst war bekanntlich nicht
von langer Dauer und ist eigentlich nur bei den erstcn Meistern zu sinden; die reichen
Ornamente, welche die Gebände gestatteten, waren sür die Prnnksucht der Besitzer und
nach Neuem suchende Künstler zu verführerisch, um sie uicht noch zu vermehren. Da aber
der geometrische Figurenkreis gewisse beschränkte Grenzen hat, und gerundete Linien an den
Bauwerken nicht häufig angewendet werden können, so versielen die Künstler auf Ver-
krümmungen und Verschnörkelungen. Wenn diese Zuthaten an Gebänden immerhin einer
großen Beschränkung unterworfen und an bestehenden Bauwerken schwer anzubringen sind,
so war es dagegen in den Gärten um so leichter. Sie brauchteu in den Hauptformen
selten verändert zu werden, denn die neuen Zuthaten genügten, um ihnen ein ganz anderes
Ansehen zu geben. Es kostete nicht allzuviel, sie „modern" (nach dem damaligen Geschmack)
zn machen. Diese Geschmacksrichtung wurde noch durch zwei starke Faktoren begünstigt.
Die Pflanzen und Gärten fügen sich den gerundeten Formen viel leichter, als Bauwerke,
und es war deren Anwendung gleichsam eine Annäherung an die Natur, wie sie vereinzelt
zu allen Zeiten angeregt, versucht und ausgeführt wordeir ist, bis endlich im 18. Jahr-
hundert diese Richtung den Sieg davontrug. Wie gefällig lassen sich z. B. schief liegende
Ellipsen, die als Fenster manches Barockgebäude verunstalten, ferner die gebogene Muschel-
form Berninis als Stnckverzierung u. s. w. im Garten anbringen, als Formen von Rasen-
plätzen und Blumenbeeten! Die großen einförmigen Flächen der Gärten gewannen an
Abwechselung, und wo die Barockformen nicht in kindische Spielereien ausarteten und
Ueberladung herbeiführten, da war die Barockzeit für die Gärten eine Verbesserung. Es
zeigte sich auch hier die nicht genug zu beherzigende Lehre, daß der Stil durch das Material

*) Die jetzt im andern Sinne gebrauchte Bezeichnung grotesk stammt vom Jtalienischen Krotta
(Grotte). Weil diese Grotten seltsam übertrieben, wunderlich und teilweise lächerlich waren, so bildete
sich darnach das Wort Arottesea, grottenartig, d. h. wunderlich-erhaben, mit einem Anklang an das
Lächerliche. Da sich nun die Ausartung des Renaissancestils im Garten besonders durch diese Grotten-
werke kund gab, so finde ich das Wort grotesk bezeichnender, als das gebränchliche barock und will es
nebenbei gebrauchen. — Man beachte auch anf den folgenden Seiten die Schilderung der Barockzeit von
Jakob von Falke. — Genau genommen, mußte hier vor der Barockzeitdie Geschichte der Renaissance-
zeit in Frankreich unter Franz I. folgen; sie ist indessen so mit der Barockzeit verschmolzen, daß sie
für unsern Zweck nicht davon zu trennen ist.
 
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