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Jäger, Hermann
Gartenkunst und Gärten sonst und jetzt: Handbuch für Gärtner, Architekten und Liebhaber — Berlin, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.20105#0105

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Die Gärten der italienischen Renaissance.

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die Gärten waren architektonisches Beiwerk, ganz nach den Regeln der Baukunst einge-
richtet, von den Baumeistern der Villen entworfen. Die großen Baumeister der Früh-
renaissance waren bekanntlich universell, verstanden alle Künste oder glaubten sie zu ver-
stehen, und besorgten alles, was zum künstlerischen Schmucke eines Gebäudes gehörte, also
auch die Garteneinrichtung.

Sicher wissen wir es von dem großen Michel Angelo und Giulio Romano
ersterer in Florenz, letzterer in Rom an der Villa Madama. Auch Raphael und B r a-
mante werden als Gartenarchitekten genannt.

Jakob von Falke sagt: „Es ist nicht zu verwundern, daß die Architekten den
Garten ebenfalls in diesen Verband der Künste einbezogen. Der Vorteil, den der Garten
davon hatte, war der, daß er als ein Teil eines Kunstwerkes gedacht und selber in echt
künstlerischem Geiste geschaffen wurde. Wie die Kunst der Renaissance überhaupt in allen
Zweigen nur die Schönheit im Auge hatte, nicht symbolisierte, nicht Gedanken, nicht Ge-
sühle und Empsindungen, die der Kunst fern liegen, hineinschob und hineindeutete, so
machten es auch die großen Architekten mit den Gartenanlcügen. Da der Garten mit
Palast und Villa verbunden war und eigentlich nur einen Teil davon bildete, so mußte
er gewissermaßen ihren Grundriß sortsetzen, wenigstens sich mit seinen Linien an die ihrigen
anschließen. Daher geschah es regelmäßig, daß die Linien der Langseiten des Haupt-
gebäudes sich nach rechts und links in parallele Gängen oder Alleen sortsetzten, während
eine breite Perspektive oder eine entsprechende Allee, auf die Achse des Gebäudes gestellt,
sene senkrecht durchschnitt. Jn größerer Entfernung oder zur Seite, zumal wenn die
Grundfläche regelmäßig war, hatten die Linien wohl freieres Spiel, immer aber war es die
gerade Linie, welche nicht bloß vorherrschte, sondern die Alleinherrschast hatte. Zuweilen war
die Grundfläche fast mit erschreckender Regelmäßigkeit in gleichgroße, quadratische Feldcr
zerlegt. Jndem aber der Architekt nicht bloß die Linien des Gebäudes in den Garten
hineinzog, sondern die Architektur durch Galerien, Mauern, Balustraden, Terrassen,
Laubengänge, Skulpturen in das Grün der Pflanzenwelt hineinleitete und so gewissermaßen
verklingen ließ, milderte er den Kontrast der scharflinigen Architektur mit den sanfteren, ge-
rundeten Formen des Baumschlags und gewann reiche Abwechselung des Anblicks und ein
interessantes Detail.

Das wellige Terrain oder häufiger und besser noch die mehr oder minder sich senkenden
Abhänge der Berge, die der reineren Luft wegen zur Sommerfrische aufgesucht wurden,
forderten von selbst zur Anlage von Stiegen und Terrassen auf, die architektonisch geordnet,
vlit Nischen und Statuen geschmückt, mit Balustraden und Blumenvasen gekrönt wurden.
Ueber ihnen erhob sich der Palast oder die Villa in regenerierender Gestalt, wie ein-
gebettet in den dunkeln Grund der Bäume, die sich höher noch an den Berghöhen
emporzogen.

Die Natur hatte aber noch ein anderes Mittel, den Anlagen der Architektur Leben
zu verschaffen. Das war das Wasser, welches überall und reichlich von den Bergen herab-
strömte.

Die gerade Linie bezog sich aber nur auf die Anlage, Wege und Abteilungen der
Pflanzengruppen, nicht aber auf die Pflanze selbst, wie es später im sranzösischen Stil
 
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