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Jäger, Hermann
Gartenkunst und Gärten sonst und jetzt: Handbuch für Gärtner, Architekten und Liebhaber — Berlin, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.20105#0208

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Siebenter Abschnitt.

Die Gärten im franMschen Stil.

Wir wissen aus dem vierten und snnsten Abschnitte, daß seit 200 Jahren nicht nur
die Geschmacksrichtung immer mehr in das Kleinliche ansartete, daß Jedermann sich berufen
sühlte, im Garten seine Launen im Geschmack zu befriedigen und jeder Gartenbaumeister
durch Neuerungen seinen Ruf begründen wollte, ohne es zu etwas Feststehendem, was wie
Stil anssah, zn bringen. Die alten Meister der Renaissance und ihre einfachen Gärten
waren vergessen, und es erstand kein neuer, welcher auch nur den Versuch gemacht
hätte, den herrschenden Unfug zu beseitigen. Und doch bedurfte es einer gründlichen Reform.

Diese trat endlich durch Andrs Le Notre ein. Er begann eine Sänberung von den
eingerissenen Uebelständen, stellte aber nicht den Stil der Renaissance wieder her, sondern
betrat neue Bahnen, weshalb man auch nach ihm und dem Lande seiner Wirksamkeit einen
besonderen Stil begründete, den französischen (den wir jetzt „altfranzösisch" nennen sollten),
den Gartenstil Le Notres, wohl auch Ludwig XIV. genannt, weil seine Entstehung nicht
nur in die Zeit dieses Königs siel, sondern auch die ersten und Ledeutendsten Gärten für
ihn angelegt wurden. Es war kein neuer Stil, denn im Prinzipe war er dem herrschenden
italienischen gleich. Aber das Land seiner Geburt und der Herrscher, für welchen der
Künstler arbeitete, drückte diesen neuen Gärten einen besonderen Stempel auf. Die Gärten
bedurften der Terrassen nicht mehr oder konnten sie vielmehr oft nicht haben, weil die
Mehrzahl der Gärten sich in Ebenen befanden; aber Le Notre benntzte sie, wo sie vorhanden
oder anzulegen waren, wie schon sein großartigstes Werk Versaille zeigt, wo das oberste
Parterre vor dem Schlosse eine Terrasse ist, unter welcher seitwärts das tiesere Orangerie-
Parterre liegt. Den Grundzug des französischen Gartens bildet die theatralische, koulissen-
artige Anordnung der Seitenteile zu beiden Seiten der Mittelachse, welche möglichst streng
durchgeführt wurde. Le Notre gab den Gärten, was ihnen sehlte, die Perspektive nnd die
Sonderschönheit der eiuzelnen Teile. Die nähere Umgebung des Schlosses wurde so ziemlich
wie im italienischen Garten behandelt, denn die ganze Anlage richtete sich nach den vor-
und zurückspringenden Linien des Hauptgebäudes. Hier lag zunächst, wie im italienischen
Garten, das knnstvolle, reich geschmückte Parterre, das italienische an Pracht übertrefsend.
Denn während das Parterre der italienischen Gärten nur ein einfach geschmückter Vorplatz
des Gebäudes war, stellte das sranzösische in seinem Luxns gleichsam eine Fortsetznng der
inneren Gemächer des Schlosses dar. Unsere Fig. 72 stellt eine ganz regelmäßige Anlage
von mittlerer Größe dar; Fig. 73 zeigt, wie man nnregelmäßig begrenzte Flächen behandelte.
 
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