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Jäger, Hermann
Gartenkunst und Gärten sonst und jetzt: Handbuch für Gärtner, Architekten und Liebhaber — Berlin, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.20105#0269

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Die Gärten im französischen Stil.

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tümelei noch stärker hervor. Das letzte dieser Feste, vielleicht eines der letzten dieser Art,
fand am Abend des 27. Mai 1865, dem Geburtstage des Königs, statt und erreichte seinen
Glanzpunkt in einer Theatervorstellung aus dem „Naturtheater" des Gartens. Die von
Hecken gebildete Bühne hat eine Fläche von 190 Fuß Länge und 213 Fuß Breite; das
Amphitheater als Zuschauerraum hat 7 Stufenreihen, das Orchester davor ist 87 Fuß breit
und 67 Fuß tief.*)

Jn und bei Kassel bestand bereits der schon im fünften Abschnitt erwähnte Garten
von Wilhelmshöhe (früher Weißenstein), welcher nur in der NLHe des Schlosses „sranzösisch"
verändert wurde. Dagegen wurdeu die „Karlsaue" (Augarten) und Wilhelmsthal, 2 Meilen
von Kassel, nach dem Le Notreschen System angelegt, der Augarten mit vielen holländischen
Zuthaten, was die vielen Kanäle zeigen. Glücklicherweise wurde der prächtige Laubwald,
welcher den größten Teil des Gartens ausmacht, bei der neuen Anlage beibehalten. —
Uns westlich wendend, sinden wir am Rheine den Hosgarten von Düsseldorf und das nahe
Pempelfort. Einige Partien des vor der Mitte dieses Jahrhunderts durch Weyhe in
einen anmutigen Landschaftsgarten verwandelten Hofgartens erinnern noch an französisch-
holländische Art, und ein breiter Kanal zieht sich bis sast an die Bahnhöfe. Pempelfort
war ein nicht großer Privatgarten, ist aber durch seinen Besitzer Friedrich Heinrich
Jacobi, welcher einen intimen Verkehr mit fast allen litterarischen und künstlerischeu Größen
nnterhielt, berühmt geworden; auch der sunge Goethe besuchte öfter diesen Garten. Jn unserer
Zeit fast vergessen, wurde Pempelfort wieder bekaunt, als es in Besitz der Düsseldorfer
Künstlergesellschaft „Malkasten" kam, welche dort ihre berühmt gewordenen romantischen
Gartenfeste gibt. Der Garten wurde schou zu Jacobis Zeit moderuisiert. — Am Nieder-
rhein sind noch Schloß Augustenburg oder Brühl, einst Lustschloß der Erzbischöse vou
Kölu, und Schloß Benrath bei Düsseldorf zu erwähnen. Benrath wurde erst zur Zeit
Karl Theodors, Kurfürsteu von der Pfalz und bei Rhein, nachmaligem Kurfürsteu vou
Bayern, ganz im Rokokostil angelegt. Die Alleen, von denen einige bis an den Rhein-
strom reichen, sind noch erhalten. Das Schloß ist nur einstöckig und sieht gedrückt aus.
Ein Teil des Gartens ist jetzt modernisiert. Brühl ist als Schloß prächtiger und im
Ganzen nobler und erinnert sehr an Versailles. Der Park wurde vom Kurfürsten Klemens
August 1725 begonneu, aber erst nach 40 Jahren vollendet und von der französischen
Republik verschlungen. Hier muß noch des großen Gartens zu Sögel am Hümling
bei Osnabrück gedacht werden, welchen gleichfalls Klemens August, Kurfürst von Bayern
und Erzbischof von Köln, als Bischof von Paderborn 1741 anlegen ließ, denn er war

*) Die „Erzählungen eines deutschen Offiziers aus zwei annektierten Ländern", welche abgedruckt aus
der „Deutschen Rundschau" von Julius Rodenberg Jahrgang 1883 und 1884 als Buch erschienen,
von einem bevorzugten Eingeladenen zu dieser Geburtstagsfeier, welcher in die geheimsten Beziehungen
des hannoverschen Hofes eingeweiht erscheint, berichten darüber folgendes: „Das Theater war mit
großen Pflanzen, Fahnen, Teppichen u. f. w. gefchmückt, der große Zuschauerraum war von der Bühne
durch davor aufgestellte Pflanzen geschieden. Es wurde Wallensteins Lager mit großer Pracht auf-
geführt, wobei auch wirkliche Soldaten, Garde-Kürassiere, verwendet wurden. Der Garten war taghell
erleuchtet und alle Fontänen, Kaskaden und andere Wasferkünste waren im Gange. Der ganze Garten
war vom Publikum belebt". Der Erzähler berichtet auch von Abentenern und geheimen Zusammen-
künften unter der Hofgesellschaft, welche an Erlebnisse am Hofe der franzöfischen Könige in den Gärten
von Versailles, Trianon rc. erinnern. Die Nüchternheit und Sorgfältigkeit dieser Erzählungen, welche
durch Familienmitteilungen bisweilen langweilig werden, bürgen für die Wahrheit der Darstellung.
Ein Jahr später war der zweifach blinde König seines Thrones und Landes verlustig; der Herrenhauser
„Große Garten" wird nach wie vor auf das Beste erhalten.
 
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