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Jäger, Hermann
Gartenkunst und Gärten sonst und jetzt: Handbuch für Gärtner, Architekten und Liebhaber — Berlin, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.20105#0291

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Die Entstehung und Einführung des landschaftlichen Gartenstils in England. 275

kleine Bauwerke nötig, oder man richtete die vorhandene Uingebung nach persönlichem
Geschmack ein. Solche Gärten hielten sich auf dem Festlande, besonders in Frankreich,
sast bis an das Ende des achtzehnten Jahrhunderts, als es längst Muster echter Land-
schaftsgärten gab. Auf die oben beschriebene Weise wurden sogar in Versailles zur
Zeit Ludwigs XV. und XVI. Boskets verändert. Jn gleicher Weise wurden in England
die auf fast jedem größeren Landsitze vorhandenen Wild- oder Tiergärten benutzt und ver-
wandelt. Gerade Wege waren dort außer den Hauptalleen überhaupt nicht vorhanden,
und die Fahrwege an den Grenzen folgten meist den unregelmäßigen Linien derselben.
Dieser Drang nach Befreiung von der Beengung der symmetrischen Gärten hat sich, wie
wir bereits aus früheren Abschnitten wissen, bei Einzel«en zu allen Zeiteu bei den Kultur-
völkern gezeigt, wenn er auch nicht mächtig genug war, die herrscheude Mode zu unter-
drücken. Wir wissen bereits, daß mehrere römische Villen parkartige Umgebungen hatten,
und Tasso zu Ende des Mittelalters in dem berühmten Gedichte „Das besreite Jerusalem"
„den Zaubergarten der Armida" als einen idealen Park schilderte, welcher täuschend einem
modernen Landschastsgarten gleicht. Er gab hiermit gleichsam das Zeichen zur Besreiung
von dem Zwange des Winkelmaßes und der Schnur, zur Einführung der allein berechtigten
Natur. Aber niemand machte den Versuch, solche Gärten in Wirklichkeit auszuführen*).
Die Zeit war noch nicht für dieselben geeignet.

Näher liegt uns, daß Lord Bacon von Verulam bereits 1624 in philosophischen
Schristen die bestehenden Gärten tadelteV*) Er wagte zwar nicht, ganz mit dem herrschenden
Geschmacke zu brechen, schlug aber vor, auch natürliche Wildnisse mit bewegtem Boden,
sowie Wintergärten mit immergrünen Gehölzen in die Gärten aufzunehmen. Jn dem
Buche „X883^ on tüe ^Lräeiis", welches sich ausschließlich mit Gärten beschästigt, sagt er:
„Was die aus buntfarbigen Steinen gebildeten Figuren und Schnörkel betrifft, so ist das
bloß Spielerei, auch liebe ich nicht die aus Wachholder oder ähnlichem Stoff geschnittenen
Gestalten. Das paßt nur für Kinder". Sir Henry Morton, welcher Lord Bacons
Garten sah, sagte, er sei einer der besten, welchen er in England und im Auslande gesehen
habe. Somit haben wir den großen Denker, welcher die Philosophie auf neue Bahuen
lenkte, auch als ersten (ältesten) Lehrer der modernen Gartenkunst zu betrachteu. — Nach
Lord Francis Baeon trat Sir William Temple mit seinem Buche: „Ueber die Gärten
des Epikur oder die Gärten im Jahre 1685" (Vxon 11i6 Z-urclens ol Xxieui'OL oi' ol

Die Angabe des Paduaner Professors Mallacarne, welche dnrch den italienischen Gartenschrift-
steller Hippolyt Pindemonte weiter verbreitet worden ist, daß Tasso einen bestehenden Garten des
Herzogs Karl I. von Savoyen beschrieben habe, verdient wenig Glauben. Diese Angabe stützt sich anf
einen Brief Tasfos vom Jahre 1580, wo er, angeblich wegen Geistesstörung, feiner Freiheit beranbt
war. Wahrscheinlicher wäre eine andere Sage, daß Tasso die zn seiner Zeit im Renaissancestil neu an-
gelegte Villa des Hadrian bei Tivoli im Sinne gehabt hätte, deren weiter Park auch natürliche Szencn
hatte. Der Jtaliener wollte die Priorität der Erfindung der Landschaftsgärten sür sein Volk in An-
spruch nehmen, wie es bereits der Gartenarchitekt und Schriftsteller Morel in der Einleitung seiner
„Hworie <te8 llaräins" 1776 und nach ihm Gabriel Thouin für Frankreich beanspruchte, weil
Duftesny (Morel schreibt Dufreny) schon zur Zeit Le Notres landschaftliche Gärten angelegt haben
soll, was ja bereits als unwahrscheinlich im vorigen Abschnitte ziemlich sicher bewiesen worden ist.

**) Bacons hierher gehörige Schriften sind: 1) U88a^ on tlle Karüeno, in alle Sprachen, anch
in das Lateinische (cie üortich, übersetzt; die letzte Ausgabe erschien 1725 von Shaw. 2) Lsrmone^
üü6li8 6te. 1744. Jch bin in Zweifel, ob das erstere Werk nicht ebenfalls lateinisch geschrieben und
erst in das Englische übersetzt worden ist. Deutsch erschien das Buch in Breslau und Leipzig 1762
unter dem Titel „Von den Gärten".

- ig*
 
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