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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 3.1888

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Robert, Carl: Beiträge zur Erklärung des pergamenischen Telephos-Frieses, 6-7
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https://doi.org/10.11588/diglit.36646#0116

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Robert, Pergamenischer Telephos-Fries.

auf der Südseite und der von ihr auslaufenden westlichen Zungenmauer bleibt
genügend Platz für die doch mit Sicherheit anzunehmende Darstellung der Thaten
und Schicksale des Telephos nach seiner Heilung. Auch wird man es vielleicht
ganz passend finden, dafs an der SO.-Ecke eine Verlegung des Hauptschauplatzes
der Handlung von Mysien nach Griechenland, wie an der NO.-Ecke von Griechenland
nach Mysien, stattfindet, nicht minder, dafs die Gründung von Pergamon gerade in
die Mitte der Hauptfriesseite kommt. Zu dieser Annahme stimmt es auch gut, dafs,
wie aus unserer Tabelle ersichtlich, die Fragmente mit der Kaikosschlacht im
Nordosten und Südosten, dagegen die mit Telephos' Schicksalen in Griechenland
D und E meist im Süden gefunden sind, abgesehen von den freilich in ganz räthsel-
hafter Weise an die Nordostecke verschlagenen Theilen von F.
Fragen wir nun, ob sich auch die ursprüngliche Stelle der beiden noch erhaltenen
Ecken WX und YZ im Fries bestimmen läfst, so bieten sich, wenn wir eine Ausdehnung
der Darstellungen bis zu den Anten 3 annehmen, der Möglichkeiten so viele dar, dafs wir
bei der Allgemeinheit der Darstellungen kaum ein irgendwie befriedigendes Resultat zu
finden hoffen dürfen. Peschränken wir hingegen die Darstellungen auf die Innenseite des
Peribolos, so ist die NW.-Ecke von vorn herein ausgeschlossen; denn dafs Scenen wie die
auf WX und YZ nicht an den Anfang der Geschichte unmittelbar neben die Orakelscene
gehören können, sieht jeder auch ohne lange Auseinandersetzung; in diesem Falle hätten
wir also in WX und YZ die SO.- und SW.-Ecke zu erkennen, und es würde sich
nur fragen, welches die eine und welches die andere wäre. Hier kommen uns nun
Eundumstände von so durchschlagender Art zu Hilfe, dafs sie auch bei der ersteren
Annahme, der Ausdehnung bis 3, in Kraft bleiben. Von W sind zwei Stücke bei der
SO.-Ecke gefunden, X war freilich verbaut, aber Z ist im Süden, Y theils im Südwesten,
theils gleichfalls in der Mauer verbaut gefunden worden. Somit haben wir in WX
die Südostecke, in YZ die Südwestecke oder eine der beiden Südwestecken zu
erkennen. Dafs eine Scene wie die auf WX gut in die Lücke zwischen U und D
pafst, wird man ohne Weiteres zugeben müssen, sei es, dafs die erschreckten Frauen
in Pergamon die Verwundung des Telephos und den Tod der Hiera, sei es, dafs
sie inArgos dem Agamemnon den Raub des kleinen Orestes durch Telephos melden.
Schwieriger scheint es eine Erklärung dafür zu finden, wie das auf YZ dargestellte Mahl
im Gebirge eine der Schlufsscenen der ganzen Friesdarstellung bilden kann. Etwas
Sicheres wird sich vorläufig wohl kaum ermitteln lassen; indessen kommt vielleicht folgen-
der Deutungsversuch der Wahrheit nahe. Man weifs, dafs die fröhliche Feier im Gebirge
ein charakteristischer Zug der Dionysosreligion ist. Schon zweimal ist uns das Verhält-
nifs des Telephos zu Dionysos in bedeutsamen Momenten seines Lebens auf den Eries-
darstellungen entgegengetreten, bei der Entsühnung im Tempel des Dionysos
und in der Kaikosschlacht; auch dafs es nichtwiein der gewöhnlichen Sage eine Hindin,
sondern die dem Dionysos heilige Löwin ist, die dem ausgesetzten Kinde die Brust
reicht, gehört vielleicht in diesen Zusammenhang. Den Undank seines Schützlings straft
Dionysos durch die Verwundung in der Kaikosschlacht. Ist es nicht eine unerläfsliche
Forderung, dafs Telephos nach seiner Heilung den erzürnten Gott versöhnt, indem er ihm
 
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