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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 7.1892

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Hauser, Oscar: Die sogenannte wagenbesteigende Frau, ihre Tracht und Bedeutung
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https://doi.org/10.11588/diglit.37649#0066
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Hauser, Die sogenannte wagenbesteigende Frau, ihre Tracht und Bedeutung.

allgemeine Meinung bis in die neueste Zeit gewesen zu sein scheint8. Die neueren
Untersuchungen über diesen Punkt von Studniczka (Beiträge zur Geschichte der altgrie-
chischen Tracht, Wien 1886) und namentlich Boehlau (vgl. besonders excursus I S. 76 f.,
auch W. Müller S. 20 f.) haben gezeigt, dafs diese Meinung unbegründet ist. Warum
denn, wenn doch durch diese Kräuselfalten »feiner Wollenstoff« bezeichnet werden
soll, sei nicht das ganze Untergewand so dargestellt9? Dafs wir aber in der
welligen Kräuselung eines Teiles des Chitons nur hergebrachte Manier zu erkennen
haben, beweist meines Erachtens gerade an unserem Relief schon der Umstand,
dafs wir ganz dieselben feinen Kräuselfalten auch noch zur Darstellung der sicher-
lich zugehörigen Pferdeschwänze, des Haarschopfs bei der wagenbesteigenden Figur
selber, sowie dem höchst wahrscheinlich zugehörigen bärtigen Manne (s. unten
S. 62) verwendet finden. Wie aber hätten dieselben feinen parallelen Wellenlinien
das eine Mal zur Darstellung von Wollenstoff, ein ander Mal von Pferdeschwänzen,
ein drittes Mal von menschlichem Haar dienen können? Die Manier der Kräusel-
falten soll eben durchaus nicht den Stoff, sondern, wie gesagt, nur dessen engen
Zusammenschlufs bezeichnen10.
Kurz: unsere wagenbesteigende Figur ist abgesehen von dem Überwurfe
nur noch bekleidet mit einem langen bis auf die Fiifse reichenden Untergewand11,
welches sicherlich als ionischer linnener Armeichiton zu bezeichnen ist12. Dafs
das Untergewand aber ein linnener Chiton war, dürfte schon die einfache Erwä-
gung lehren, welche auch Boehlau angestellt hat bei der Frage nach dem Unter-
gewand der sog. Athene des Endoios: »An putas in tempore, ubi lintei chitones ab
omnibus gerebantur, illam laneo h. e. minus pretiosiore chitone vestitam fecisse arti-
ficemci<i (S. 78).
Was nun aber den Überwurf betrifft, so ist zunächst ja klar, dafs wir es
hier mit der sog. symmetrischen Manteltracht zu thun haben, welche darin bestand,
dafs man das Stück Zeug, welches als Überwurf diente, vom Rücken her shawl-
artig über beide Schultern gleichmäfsig nach vorn hangen liefs, so nämlich, dafs die

8) Vgl, Müller-Schöll, Mitt. aus Griechenland S. 26;
Overbeck a. a. O. Auch Benndorf S. 1566 spricht
bei unserer Figur von dem »wollenen Unterge-
wand« im Zusammenhänge mit den »feinen
parallelen Wellenlinien«.
9) Vgl. Boehlau S. 77, Müller S. 21. — Studniczka
a. a. O. und mit ihm ITelbig (Hom. Epos
S. 183) bezogen die wellige Kräuselung auf eine
»besonders starke Torsion der Fäden« des
linnenen Chitons unter Hinweisung auf den
OTps-TÖc yixtbv bei Homer (11. 5, 113 u. 21, 30).
10) Ähnlich wie hier durch die parallelen feinen
Wellenlinien sind schon auf einem melischen
Thongefäfs (Conze Taf. II) die kurzen Chitone
der Knaben auf den Pferden sowie die Mähnen
12) Vgl. Anm. 5; Hel

der Pferde ganz gleichmäfsig durch Punktierung
dargestellt; ferner z. B. Gerhard A. V. B. I, 21
die Pferdeschwänze und -mähnen, der Bart des
Hermes und der Chiton der Leto oben durch
die gleichen feinen Parallelstriche, ähnlich noch
öfter.
11) Vgl. auch Sybel, Katalog der Sculpturen zu
Athen (1881), wo unter No. 5039 die Gewand-
teile unserer Figur richtig angegeben sind (»lan-
ger Rock mit geknöpften Halbärmeln, Mantel
symmetrisch umgehängt«). Auch schon Bursian
(bei Ersch und Gruber 82, 418), welcher, wie er
sagt (Anm. 91), das Original öfter angesehen
hat, macht die Angabe, unsere Figur sei bekleidet
mit ionischem Chiton und Chlamys.
g S. 179 u. Anm. 11,
 
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