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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 7.1892

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Körte, Alfred: Herakles mit dem abgeschnittenen Löwenkopf als Helm: (zum äginetischen Ostgiebel)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37649#0081
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Körte, Herakles mit dem abgeschnittenen Löwenkopf als Helm.

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eine Ungereimtheit in Nebendingen, als dafs es ein charakteristisches Attribut der
Gottheit verkümmern liefse. Erst die völlig freie Kunst fand hier eine Lösung: Als
man von einer Bewaffnung und Bekleidung der kämpfenden Helden immer mehr
absah und ihnen nur den leichten Mantel als Hintergrund für die Schönheit des
nackten Körpers liefs, konnte man die Löwenhaut wieder mit Glück künstlerisch
verwerten, sie unterscheidet sich nun kaum von einer Chlamys.
Dafs wir gerade am Ägina-Giebel einer so abgeschwächten Darstellung des
alten Herakles-Attributs begegnen, ist kein Zufall, es stimmt genau zu dem Cha-
rakter der äginetischen Künstler. Die Freude an möglichst deutlicher Erzählung
eines Vorgangs, die den olympischen Künstlern eigen ist, finden wir bei ihnen
nicht, das formale Interesse an der Darstellung des nackten Mannskörpers in den
verschiedensten Stellungen überwiegt durchaus. So war es ihnen gewifs sehr viel
weniger wichtig als ihren äginetischen Auftraggebern, welche Kämpfe sie überhaupt
darstellten, und nur in der Tracht der Bogenschützen gaben sie die unentbehrliche
Andeutung über das Verhältnis der streitenden Parteien. Die bunte, enganliegende
Jacke und Hose des einen, der lederne Panzer des andern genügen, um den Gegen-
satz von Griechen und Barbaren auszudrücken, im Ostgiebel brauchte nur noch eine
Anspielung auf den Löwen hinzuzukommen, um den kräftig gedrungenen Bogen-
schützen als Herakles zu kennzeichnen. Herakles etwa nackt und mit dem ganzen
Löwenfell darzustellen, verbot die strenge Responsion der Giebel unter einander
und der einzelnen Figurenpaare in ihnen — das oberste Gesetz der äginetischen
Kunst; ein Herakles in der Tracht der attischen Vasen würde geradezu stören. So
begnügte sich der um mythologische Genauigkeit wenig besorgte Künstler mit der
ehernen Bildung des Löwenkopfes am Helm6. Kannten die Hellenen jener Zeit
Herakles auch ohne vollständige Löwenhaut, wie die Bonner Vase zu beweisen
scheint, so durfte der Künstler wohl hoffen, der fremdartige Löwenhelm in Ver-
bindung mit der dem Heros eigentümlichen Waffe werde zu seiner Kenntlich-
machung ausreichen.
Es bleibt abzuwarten, ob meine Auffassung der Herakles-Tracht auf dem
Bonner Gefäfs durch andere Denkmäler Bestätigung finden wird, vorläufig darf man
dasselbe, scheint mir, bei Beurteilung des äginetischen Bogenschützen nicht aufser
Acht lassen.
Alfred Körte.

6) Dafs »jene Helmverzierung mit ganz besonderem mit Recht schon Martin Wagner, der die Figur
Geschmack und Liebe vollendet« sei, bemerkt noch nicht als Herakles erkannte, in seinem Be-
richt über die äginetischen Bildwerke S. 51.
 
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