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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 7.1892

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Körte, Alfred: Herakles mit dem abgeschnittenen Löwenkopf als Helm: (zum äginetischen Ostgiebel)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37649#0080
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Körte, Herakles mit dem abgeschnittenen Löwenkopf als Helm.

nennung fufsenden Erklärungen für gänzlich unbegründet. Da fast alle Erklärer
mit dem Herakles als einzig sicherer Gröfse rechnen, würde mit seiner Fortnahme
in der That allen Deutungen der Boden entzogen; wir könnten dann nur ganz allge-
mein von einem Kampfe zwischen Hellenen und Barbaren reden; nicht einmal das
liefse sich aus den Figuren selbst mit Sicherheit erkennen, ob ein mythischer oder
historischer Kampf gemeint sei.
Furtwänglers Gedankengang ist folgender: Herakles trägt stets das ganze
Löwenfell, der Bogenschütze des Ostgiebels trägt überhaupt kein Fell, sondern
einen ehernen Helm, dessen Vorderteil als Löwenkopf gebildet ist, solcher Helm
kommt auch anderwärts — bei der Athena Albani ■— vor, folglich »giebt er uns
nicht nur nicht den geringsten Grund die Figur für Herakles zu erklären, ja er
spricht neben andern Gründen entschieden gegen jene Benennung«. Zuzugeben,
und wohl auch nie geleugnet, ist, dafs der Helm des Bogenschützen nicht als wirk-
licher Löwenkopf, sondern als Nachahmung eines solchen in Erz gedacht ist, wie
namentlich die erhaltenen Ansätze der Backenklappen beweisen.
Ein solcher Helm ist sonst bei Herakles nicht nachweisbar, aber ebenso
wenig ist er in der älteren griechischen 3 Kunst bei einem anderen Helden nach-
weisbar, auch Furtwängler weifs keinen menschlichen oder heroischen Krieger mit
diesem Helmschmuck anzuführen. Wie man aber bei Herakles dazu kam, die
Löwenhaut durch eine derartige eherne Reminiscenz an sie zu ersetzen, läfst sich
vielleicht verstehen: Wenn auch das nach Furtwänglers Ausführungen im Südosten
aufgekommene Löwenfell früh von den europäischen Hellenen angenommen war,
so vermochte es doch nicht so leicht die hier übliche griechische Bewaffnung
des Helden zu verdrängen. Eine etwas jüngere Zeit empfand das Nebeneinander
von Panzer und Löwenhaut als überflüssig und darum störend4, so beschränkte man
sich darauf, den abgeschnittenen Löwenkopf als Helm zu verwerten und schliefslich
behielt man nur die Form des Löwenkopfs, übersetzte sie aber in das übliche
Material der Heldenbewaffnung5. Diese Entwickelungsreihe wird beglaubigt durch
die Bonner Vase, welche (überlegte Zeichnung des Malers vorausgesetzt) ein Mittel-
glied zwischen der gangbaren Herakles-Ausrüstung und der im Ägina-Giebel ge-
wählten abgiebt. Dafs die Vase wohl etwas jünger ist als der Giebel, verschlägt
dabei nichts, auch sie gehört noch dem reifen Archaismus an, und erfunden hat
der Vasenmaler die Neuerung der Tracht ja schwerlich. Wir dürfen uns nicht
wundern, dafs die Versuche, die Löwenhaut zurückzudrängen, in der archaischen
Kunst nicht durchgedrungen sind, das Volksbewufstsein erträgt lieber lange Zeit

3) Etruskische Urnen zeigen allerdings ähnliche
Helme (vgl. G. Körte, Relievi delle urne Etrusche
II, i Taf. 12, 4 und 16, 4), aber diese Skulpturen
liegen zeitlich und stilistisch doch zu weit ab,
um für ein Werk des reingriechischen Archais-
mus als Analoga verwendbar zu sein.
4) Einen andern Versuch, der Löwenhaut neben
nie g<

dem Panzer eine zwecknräfsige Verwendung zu
geben, stellt die Kasseler Statuette dar.
5) In dieser letzten Form ist allerdings die Erinne-
rung an Herakles’ Löwenkampf so verblafst, dafs
ein solcher Helm auch einmal Herakles’ gött-
licher Beschützerin Athene gegeben werden
konnte, aber üblich ist für sie diese Tracht
worden.
 
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