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Deutsches Archäologisches Institut [Editor]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Editor]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 7.1892

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Winter, Franz: Der Apoll von Belvedere
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https://doi.org/10.11588/diglit.37649#0176
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i66

Winter, Der Apoll von Belvedere.

Gegensatz, der sie von jeder Schöpfung hellenistischer Kunst, der sie zumal in ihrer
mafsvollen Zurückhaltung und in der Abgemessenheit und gesuchten Eleganz der
Haltung und des Ausdrucks von einem Werke so stürmischer Kraft wie der Nike
trennt. Bei den Restaurationsarbeiten, die in Wien unter Zumbusch’s Leitung an
der Nike vorgenommen wurden, machte man den Versuch, den Torso nach dem
Motiv des Apollo zu ergänzen. Es ist bezeichnend, dafs dieser Versuch nicht zum
Gelingen führte, und wie sich schon hierbei die Disharmonie beider Werke deutlich
fühlbar machte, so wurde auch Brunn zu der Bemerkung gedrängt, dafs 'die Erfin-
dung einer Göttergestalt wie die des Apollo von Belvedere . . . doch immer noch
am besten als ein Ausläufer der spezifisch hellenischen Kunst (im Gegensatz zur
hellenistischen) betrachtet werden müsse’7.
Dieselbe Empfindung, dafs der Apoll den Werken des vierten Jahrhunderts
näher steht, als der hellenistischen Kunst, glaubt man auch aus den Worten Anderer,
die über die kunstgeschichtliche Bedeutung der Statue gesprochen haben, deutlich
herauszuhören.
Kekule hat mit seinem Aufsatz über den Steinhäuser’schen Kopf für alle
stilistische Untersuchung der vatikanischen Statue den festen Grund gelegt. 'Der
Kopf’, so lautet sein Ergebnis, 'ist eine Fortführung des Typus, den die ältere
attische Kunst geschaffen hatte. In den Einzelheiten seiner Bildung führt er nicht
über Skopas und Praxiteles hinauf, aber er zeigt keine Spur von Einflufs des lysippi-
schen Typus’8. Dieses Urteil ist durch inzwischen gefundene Originalwerke des
Skopas und Praxiteles nur bestätigt, und mit Recht schliefst sich Graef ihm an,
wenn er das Ende der Entwickelung, die er in dem Skopas’schen Kopftypus findet,
mit einem Hinweis auf den Steinhäuser’schen Kopf bezeichnet9. Aber der Kopf
gehört dieser von Graef aufgestellten Reihe gewifs nicht in dem engeren Sinne an,
dafs in ihm einfach eine Weiterbildung der PUrmenelemente enthalten wäre, deren
Zusammenwirken den Köpfen des Skopas ihren bestimmten Charakter giebt. Das
Oval des Gesichtes ist länglicher als bei diesen und namentlich nach unten zu von
breiterer und kräftigerer Form. Die Augen sind ähnlich gebildet, aber die Pupille
zeichnet sich freier aus den umgebenden Flächen ab und in weniger starker Wöl-
bung ladet der Stirnknochen nach der Schläfe zu vor, so dafs das Oberlid in seinem
ganzen Verlaufe sichtbar bleibt. So strahlt der Blick offen und in lichtvollem Glanze
aus dem weit geöffneten Auge hervor. Wie bei den Skopasköpfen tritt das innere
Leben auf die Gesichtszüge heraus. Aber es ist eine andere Stimmung, die hier
aus den Augen blickt und um die geöffneten Lippen des bewegt atmenden Mundes
spielt, nicht schmerzliches Sehnen, sondern Glut und Erregung, von dem stolzen
Bewufstsein göttlicher Kraft und Erhabenheit zurückgehalten. Fast gleichartig ist
die Zeichnung des Mundes; aber durch die leichte Ntiance der Bewegung, durch
die etwas weitere Öffnung und die weniger geschwungene Form der Oberlippe ist
7) 'Über die kunstgeschichtliche Stellung der perga- 8) Annali dell' Istituto XXXIX. 1867 S. 136.
menischen Gigantomachie’ im Jahrbuch der preus- 9) Mitteilungen des römischen Instituts IV. 1889
sischen Kunstsammlungen 1884 S. 231. S. 226.
 
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