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Deutsches Archäologisches Institut [Editor]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Editor]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 7.1892

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Mayer, Maximilian: Mykenische Beiträge, 2, Zur mykenischen Tracht und Cultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.37649#0202
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192

Mayer, Mykenische Beiträge II.

wiesen, dahin wohin auch die physiologische Betrachtung führt. Wenn die Erfah-
rung irgend gilt, dafs jede alte Kunst in der Menschenbildung von ihrer eigenen
Rasse ausgeht, selbst da wo sie exotische Vorgänge nachbildet, so können die
Meister der Goldbecher von Vaphio, der prächtigen jüngst entdeckten Silberschale
aus dem vierten Schachtgrabe9, nicht zu vergessen den Flötenspieler aus dem Kuppel-
grabe von Kampos 10, nur im Umkreise des Ägäischen Meeres gesucht werden. Wie
die von Murray11 nicht beachtete asiatische Frauentracht es verbietet, von Kelten
oder andern nordischen Völkern zu reden, so schliefst der Menschentypus den Ge-
danken an Phönizier und sonstige Orientalen, der noch immer einige ansehnliche
Vertreter zu finden scheint, vollkommen aus. Jenseits des 30. Pariser Fängengrades
wird man im Bereich der Mittelmeervölker Typen wie die hier herrschenden ver-
geblich suchen; das kann auch ums Jahr Tausend v. Chr. nicht viel anders gewesen
sein, wie auch die Bildwerke Ägyptens genügend bezeugen. Die einzige P'igur aus
unserem Monumentenkreise, welche einen orientalischen Typus zu zeigen scheint, die
Frau mit ausgebreiteten Armen, welche auf der grofsen Haarnadel aus dem dritten
Schachtgrabe erscheint (Schliemann, Mykenä No. 292; Schuchh.2 195), verdankt
dieses Aussehen lediglich ungenügender Abbildung; in Wirklichkeit — man ver-
gleiche die an der Spitze dieses Aufsatzes gegebene Zeichnung Gillieron’s — steht
sie völlig gleich mit den andern Mykenäerinnen, unter die sie auch ihre Tracht
verweist12. Die schon erwähnte Silbervase mit der Belagerung, welche an Meister-
werke des fünften und vierten Jahrhunderts erinnert und zum ersten Male — im
Gegensatz zu allem Vorderasiatischen — völlig nackte Krieger bringt, wird gewifs
Viele bekehren. Aber auch sonst wird man in einigen Jahren vielleicht lächeln,
dafs man in der Modellirung, der Bewegung, der Auffassung von Körper- und Ge-
sichtstypen jemals das Wehen des freilich noch nicht befreiten griechischen Geistes
verkennen konnte, der die (übrigens schwer zu localisirenden) Vorbilder im Sturm
überflügelte. Mag man geneigt sein, die Werkstätten dieser Kunst in der Stidwest-
Ecke Kleinasiens oder in Kreta zu suchen, den Stätten, wo — wie freilich auch in
Cypern —• die Sage die zauberhafte Kleinkunst der Teichinen localisirte; solange
nicht wenigstens an dem Centrum der durch Minos-Minyas13 bezeichneten See-
herrschaft Ausgrabungen stattgefunden, ist ein Urtheil hierüber ebenso unmöglich
wie ein Einblick in jenes Durcheinander von Griechenstämmen und Kleinasiaten,
welches die Alten als Epoche der »Pelasger« bezeichneten.
Alles was wir wahrscheinlich machen können, ist: dafs der Stamm der Argi-
vischen Bevölkerung griechisch war und dafs derselbe an der glänzenden Cultur,

9) ’Ecprjp.. apy. 1891 Tafel 2, 2; die Abbildung wird
leider dem Original nicht gerecht.
J0) Tzuntas ’Ecprjp. 1891, 190 sagt nicht, dafs diese
Bleifigur mit vorzüglich detaillirten Gesichts-
zügen die Flöte bliefs, welche angelöthet war,
wie die Instrumente (Cymbeln oder Klappern),
13) Vgl. jetzt Hermes

welche seine Partnerin (s. daselbst) in den offe-
nen Händen hielt.
’) Papers of the American School of Arch. 1890.
I2) Dagegen von allem Bisherigen abstechend, in
krafs semitischem Typus: zwei Kinder auf knö-
chernem Spiegelgriff, gefunden im Sommer 1892.
XXVII S. 505, 1.
 
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