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Wörner, Ernst
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Provinz Rheinhessen: Kreis Worms — Darmstadt, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.18790#0134

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KREIS WORMS

die Kirche in Pfeddersheim mit allen Zubehörungen, mit dem dazu gehörigen Wein-
und Fruchtzehnten*). Im 14. Jahrhundert steht Pfeddersheim, das 1308 zuerst
als Oppidum bezeichnet wird, im Besitz des Reichs. Die Stadt war vom Reiche
den Herrn von Falkenstein verpfändet, wodurch jedoch die reichsständische Selb-
ständigkeit nicht Not litt, denn der Pfandherr konnte weitere Rechte wie das Reich
selbst nicht ausüben. So konnte Pfeddersheim 1381 in Bündnis mit den Städten
Mainz, Worms und Oppenheim treten, welcher Bund nachmals mehrfach bestätigt
wurde. Nachdem 1419 der Falkensteinische Mannsstamm erloschen war, gelangte
Kurmainz in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in den Pfandbesitz. Schon
1465 überliess Erzbischof Adolf die Stadt an Kurpfalz. Fünf Jahre zuvor war in
der Fehde des Vorgängers und späteren Rivalen von Adolf, Erzbischofs Diether,
gegen die Kurpfalz vor der Stadt die Schlacht geschlagen worden, in der Pfalz
einen entscheidenden Sieg errang. Die Stadt wurde dabei erobert und geplündert.
Ein noch schwereres Schicksal erlitt die Stadt 1525 im Bauernkrieg, in dem die
Einwohner die aufständischen Bauern aufgenommen hatten. Vor Pfeddersheim
wurden die Bauern am 24. Juni entscheidend geschlagen, und ein grosses Blutbad
angerichtet. Die Stadt wurde all ihrer Freiheiten verlustig erklärt. Doch finden
wir seit 1544 wieder kaiserliche Privilegienbestätigungen. Allmählich wurde Pfedders-
heim gleichwohl pfälzische Landstadt.
Kirche Die Kirche besteht aus einem höheren und breiteren Schiff und einem

schmäleren und niederen Chor; an jenes ist im Süden der Glockenturm angebaut;
auf dem Chor sitzt ein im vorigen Jahrhundert erbauter Dachreiter auf. Das Schiff
bildet die evangelische, der Chor die katholische Kirche; der Glockenturm ist

Ev. Schiff gemeinschaftlich. Die Räume sind nicht gewölbt. Das Schiff wurde an Stelle
der 1689 durch die Franzosen eingeäscherten Kirche als reformierte Kirche in den
Jahren von 1708-—1721 erbaut. Die Fenster sind meistens im Spitzbogen ange-
legt; ein in den Scheitel des Bogens geführter Steinpfeiler schneidet das Fenster
in zwei Teile. Die durch eine gewundene Säule getragene Kanzel und die Holz-

Kath. Chor säulen der Tribüne gehören der Zeit der Errichtung an. Die katholische Kirche
ist noch später und zwar um 1789 erbaut worden. Sie ist dreiseitig geschlossen
und hat rundbogige Fenster in der für jene Zeit charakteristischen Form. Der
Turm Turm ist in den beiden unteren Geschossen noch gotisch, mit Ausnahme der
südlichen Thüre, deren Rundbogen auf die Renaissance hinweist, und einiger
Fensteröffnungen. Mit der Kirche wird er durch eine hohe Spitzbogenthüre, deren
Gewände aus schweren Quadern bestehen, verbunden; €\§, Quadern sind sehr
gesprungen und beschädigt, wie es scheint, durch die Gewalt von Feuer. Das
dritte und vierte Stockwerk mit dem Dach gehören der Neuzeit an. An dem
unteren Stockwerk lassen sich manche Längsrillen beobachten.

An dem Chor der Kirche ist aussen eine Steinscheibe, welche mit Reben-
blättern im Relief geziert ist, eingemauert. Sie war wohl einst ein Schlussstein und
gehört der gotischen Zeit an.

Privatbauten Was die Privatbauten und an solchen befindliche Details betrifft, so ist das

nachstehende anzuführen. In dem Hof des Hauses B. 9 (aussen am Thorbogen

*) Calmet, Histoire de Lorraine I, Preuves S. 274.
 
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