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Wörner, Ernst
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Provinz Rheinhessen: Kreis Worms — Darmstadt, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.18790#0239

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WORMS

21 I

ist abgelegen und so recht geeignet, uns den Anblick des Baues in seiner ganzen einfachen
Grossartigkeit ungestört gemessen zu lassen. Fast erschien er uns noch reizvoller,
als dem südlichen der beiden Westtürme der Steinhelm fehlte, welchen ihm die Stadt-
zerstörung von 1689 geraubt hatte und den ihm die Restauration der Jahre 1882
und 1883 wieder aufsetzte. Dem neuen Helm fehlt eben die unnachahmliche
braune Patina %des alten Baumaterials, des sog. Kapuzinersteins, welcher im frischen
Bruch gelb ist und erst in langen Zeiträumen dunkelt.

Noch einsamer war wohl diese Gegend im äussersten Norden von Worms, Baugeschichte
als hier am Rand des fränkischen Friedhofs, einige hundert Schritte vom Ufer des
Rheins entfernt, die erste Kapelle errichtet wurde. Denn wir schliessen aus den
Grabsteinen mit frühchristlichen Inschriften auf das Vorhandensein einer solchen,
und eine Vorstadt von Worms wird schon im Jahre 985 erwähnt. Diese Kapelle
ist auch gewiss die Kirche in der Vorstadt, welche König Heinrich II im März 1006
aus seinem Eigentum dem Bischof Burkard zum Geschenk machte *).

Die Kirche hiess damals vetus monasterium, das alte Münster, sie wird so
in der Urkunde genannt, in der sie Bischof Emicho von Worms im Jahre 1298
zu einer Kollegiatkirche erhob, und ferner in einer Urkunde von 1310. In einer
anderen Urkunde von 1310 und 1309**) heisst sie: ecclesia s. Mariae extra muros
worm. und ecclesia s. Mariae virg. veteris monasterii extra muros worm. Inwie-
weit die Gründung eines Stifts in dem alten Gotteshause mit einem Neubau ver-
bunden war, iässt sich ganz sicher nicht feststellen, doch müssen wir angesichts
des Umstandes, dass das neue Stift wohl einen grösseren Bau als den seitherigen
bedurfte und angesichts der von Schannat überlieferten Nachricht, dass die Bischöfe
von Speier, Würzburg und Bamberg 1276 und 1277 zum Zweck der Fortsetzung
des Neubaus Beihülfe gewährten, annehmen, dass zu Ende des 13. Jahrhunderts
ein solcher Neubau stattfand. Auf eine weitere Bauperiode deutet die Majuskel-
inschrift an einem Fenster des Chorumgangs: ANO • DNI • MCCCLXXXI, und auf
die letzte eine auf eine Tafel in Minuskeln eingegrabene Inschrift im nördlichen
Seitenschiff, an der Ecke, wo das Querschiff ansetzt. Die oberen Zeilen lauten:
t ano • bm • mcccd^v • in • 6ic • cruc (?) • perfectum • est • r/oc ■ monasterium. Die zwei
letzten Zeilen trotzen allen Entzifferungsversuchen.

Wie viel von der jetzigen Kirche den einzelnen Bauperioden angehört, lässt
sich nicht bei allen Teilen mit Bestimmtheit sagen. Die Gesamtanlage, die Türen,
die Profilierungen der Arkadenbögen im Schiff, die den Pfeilern vorliegenden runden
und schlanken Dienste, das Masswerk der meisten Fenster der Seitenschiffe und
des Chorumgangs, soweit solche noch alt sind, weisen uns auf die Zeit des
14. Jahrhunderts, in welches ja nach der oben mitgeteilten Inschrift auch der
Chorumgang fällt. In die Spätgotik des 15. Jahrhunderts führen uns die Gewölbe
des Querhauses und des Chors, das Fischblasenmasswerk an den Fenstern der Hoch-
wände des Chors und des Querschiffs. Das auffallend gedrückte Gewölbe des
Mittelschiffs stellt sich als eine Erneuerung des 18. Jahrhunderts dar. Es sitzt

*) Falk, Heil. Mainz S. 66, Wagner, Hess. Stifte Rheinh. S. 443.
**) Schannat, Hist. Ep. Worms II, Nr. 182. Baur, Hess. Urk. V S. 159, II S. 696, 699

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