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Wörner, Ernst
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Provinz Rheinhessen: Kreis Worms — Darmstadt, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.18790#0288

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WORMS

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Der westliche Flügel ist zu einem Wohngebäude umgestaltet, es lassen
sich jedoch im Hofe noch einige Bogenstellungen des Erdgeschosses erkennen.
Die Spitzbögen sind etwas höher, die Pfeiler etwas schmäler, wie diejenigen des
Südflügels, das Ganze stimmt jedoch im Charakter mit dem letzteren überein. Das
Wohngebäude hat erst seit etwa 25 Jahren seine jetzige Gestalt; Aufnahmen aus
früherer Zeit zeigen die Thüren und Fenster mit Umrahmungen des 17. Jahrhunderts
versehen. Im unteren Stockwerk waren gar keine Fenster nach dem Paulusplatze
zu angebracht.

Dem Ende des 15. Jahrhunderts gehören die reizvolle Kapelle an der Ostseite
des Ostfiügels und der auf zwei Spitzbögen ruhende Treppenaufgang zu dem Ost-
flügel im Süden an. Jene entspricht in der Grösse fünf Seiten eines Achteckes
und hat an drei der letzteren je ein spitzbogiges, zweiteiliges Fenster mit einer
senkrecht gestellten Fischblase im Bogenfeld; die kleinen Spitzbögen und die Blase
des mittleren sind mit Nasen besetzt. Dieser hat ein gotisches Portal, darüber
das Reliefbild des h. Paulus mit dem schon erwähnten Spruchband. »Diese wenigen
Reste spätmittelalterlicher Bauthätigkeit« , sagt Schneider, »beweisen übrigens, dass
das Stift in jener Zeit, wo die Stadt selbst sich der reichsten Blüte erfreute und
ein angeregtes geistiges Leben um den hochsinnigen Bischof Johannes von Dalberg,
den Stolz seiner Zeitgenossen, sich entfaltete, auf Erweiterung und Verschönerung
seiner Gebäude bedacht war. Was sonst jene Zeit zur Ausstattung der ehrwürdigen
Anlage, zu deren Schmuck und zum Gedächtnis der Verstorbenen geschaffen hatte,
entzieht sich leider jeder Kenntnis. Sicher hatte das vielgestaltige Vermögen des
ausgehenden Mittelalters und die reizvoll an das Altertum anknüpfende Kunst des
16. und 17. Jahrhunderts sich an dieser Stätte in zahlreichen Denkmälern aller Art
verewigt«.

In dem unteren Raum des Ostflügels des Kreuzgangs stehen noch sieben
Steinsärge von verschiedener Grösse. Sie sind, nach der Form und der Art der
Bearbeitung zu schliessen, mittelaltrigen Ursprungs und innerhalb des Kreuzgangs
ausgegraben worden*).

Von den Denkmälern, die von Anfang an in der Kirche aufgestellt waren, Grabmäier
ist nur noch am alten Platz das bemerkenswerte Epitaph des 1568 gestorbenen
Engelhard zu Rodenstein, eine Bildtafel, mit doppeltem Gesims und Giebel
bekrönt und von Pilastern umrahmt. Unter der Tafel die Grabschrift, zu beiden
Seiten Engelsköpfe. Die Tafel stellt in Hochrelief dar den Gekreuzigten, zu Füssen
des Kreuzes einen gepanzerten Mann mit dem offenen Helm zur Seite und gegen-
über zwei Frauen, alle knieend. Den Figuren fehlen die Köpfe. Hinter denselben
in Relief eine befestigte Stadt, die Jerusalem sein soll. Über dem Kreuz in einer
Wolkenglorie Gottvater. An den Pilastern zu Seiten der Bildtafel sind die Wappen
der Verstorbenen und der Ahnen angebracht. Im Giebel oben steht die Jahrzahl
1531. Das Ganze ist geschmackvoll und zierlich im guten Stil der Hochrenaissance
von hellgrauem Kalkstein gearbeitet. Die in deutschen Buchstaben eingemeisselte
und durch senkrechten Strich geteilte Inschrift lautet rechts: 2tls matt yx\\ nadf

*) S. Ernst Wörner in Quartalbl. des hist. Vereins 1876 Nr. 2 S. 13.

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