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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 36.1920-1921

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Wolf, Georg Jacob: Münchner Malerei um 1800
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https://doi.org/10.11588/diglit.14150#0117

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hann Georg Edlinger, der aus Graz gekommen
war und bei Öfele in München studiert hatte,
auch seit 1781 Hofmaler war, klingt das Rokoko
ab und kommt das bürgerliche Zeitalter, das
nach 178g anhub, zur Geltung; es tritt in der
Weise in die Erscheinung, daß die überwiegend
repräsentativen Momente der Bildnismalerei
einer psychologischen Auffassung Platz machen:
einige Porträte von unerhörter Innerlichkeit der
Wiedergabe individueller Seelenhaftigkeit und
äußerster Wucht des Vortrags gehen auf Ed-
linger zurück, dessen Art in den tüchtigen, aber
viel mehr handwerklich arbeitenden Bildnis-
malern Kellerhoven und Hauber, die allerdings
anderer Herkunft waren, aber in München bald
völlig einwuchsen, verklingt und — verflacht.
Die in München oder seiner Umgebung ge-
borenen Landschafter der Zeit werden kurzweg
unter der Bezeichnung „Die Vedutenmaler" zu-
sammengefaßt, ein nicht sehr stichhaltiges Ver-
fahren, das kürzlich noch gelegentlich einer
Ausstellung der Münchner Graphischen Samm-
lung in Anwendung kam. Der Begriff „Veduten-
malerei" trifft auf die Werke der hier in Frage
stehenden Künstler, auf den jüngeren Dorner,
auf die beiden Dillis, auf Warnberger und
Wagenbauer nur mit aller Einschränkung zu.
Wohl waren diese graziösen, zuweilen auch
ein wenig zaghaften Landschaftsmaler vom
Gegenstand nicht in dem Maße unabhängig wie
etwa die Landschaftsmaler des Impressionismus,
aber mit ihrer frisch zugreifenden, des Gegen-
stands frohen Realistik verband sich auch ein
hohes Maß lautersten Naturgefühls. Namentlich
bei Georg v. Dillis, der von seinen theologischen
Studien her die Neigung zu pathetischem Über-
schwang mitgebracht und sie d urch seine winckel-
mannisch situierten Italienreisen noch verstärkt
hatte, geht doch weit über alle Vedutenhaftig-

keit hinaus eine Weiträumigkeit und Bedeutungs-
fülle der Naturgestaltung, die wie eine Ahnung
Rottmanns erscheint.

Von den Eingewanderten akklimatisierte sich
am schnellsten Wilhelm von Kobell. Was seinem
Vater Ferdinand und seinem Onkel Franz Kobell,
den beiden Landschaftsmalern, versagt blieb:
das Einwachsen in das künstlerische Münchner-
tum seiner Zeit und die Entfaltung einer an-
regenden Wirksamkeit als Lehrer, ward ihm zu-
teil. Als Schlachtenmaler hat man ihn gelegent-
lich der Berliner Jahrhundert-Ausstellung wie-
der „entdeckt": im Schlachtensaal der Münchner
Residenz und in der Neuen Pinakothek war er
in dieser Eigenschaft von jeher zu erkennen
gewesen. In der Heinemann-Ausstellung tritt
W. v. Kobell hauptsächlich als Schöpfer reiz-
vollster Kleinwerke hervor; es fehlen auch die
Schlachtenbilder nicht, ebenso ist der Porträt-
maler ausgezeichnet vertreten: das Jünglings-
bildnis, den jungen Joseph Schilcher darstellend,
ist ein Romantikerporträt voll tiefer Empfindung.
Der Zahl der Werke nach am stattlichsten ver-
treten, als universale künstlerische Persönlich-
keit weit ausgreifend und alle Stoffgebiete der
Malerei und Graphik in sein Schaffen einbe-
ziehend, wirkt Wilhelm v. Kobell als die über-
ragende Erscheinung der damaligen Münchner
Malerei auch im Rahmen dieser Ausstellung.

Wilhelm v. Kobells Schaffen reicht bis in die
1850er Jahre hinein. Da konnten neben ihm noch
Künstler auftreten, die zwar von ihm ausge-
gangen waren, aber auch über ihn hinausstreb-
ten. Nur einer sei genannt: Peter Heß, dessen
große, hochformatige Chiemseelandschaft in der
eigenartigen Komposition des Landschaftsaus-
schnittes und der reichen Figuren- und Tier-
staffage des Vordergrundes zu den fesselndsten
Bildern der Ausstellung gehört. Wolf

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