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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 36.1920-1921

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Beringer, Joseph August: Albert Welti nach seinen Briefen: II. Band
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Beringer, Joseph August: Henry Thode
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https://doi.org/10.11588/diglit.14150#0135

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lern; in die Luft baut keiner, nicht einmal
Hodler, der sich den Puvis de Chavannes an-
geschaut hat, und diejenigen, die sich eleves
de la nature nennen, sind entweder Schwindler

oder langweilige Naturabschreiber".....Jetzt

hat sich der Naturalismus, über seine eigene
Grauheit erschrocken, eine gelbe und blaue
Perücke angezogen und nennt sich Impressio-
nismus. Es nützt aber alles nichts und bedeu-
tet bloß noch eine Sackgasse. Der Geist wird
siegen, die lebendige Kunst steht auch mit dem
geistigen Leben und Weben in innigster Be-
rührung." Deshalb ist ihm Böcklin trotz allem
und allem immer der Meister, auf dessen Werk
und Wort man felsenfest, für alle Zukunft,
bauen kann. — Für unsere im Maltechnischen
immer mehr verlotternde Zeit ist der Brief-
wechsel mit Rose von größtem Wert, weil er
sich da als unermüdlicher „Probier" unver-
hohlen im Maltechnischen und Graphischen
über seine Werkvorgänge ausspricht. Kurz, wo
immer man in diesen freundschaftlichen Briefen
anschürft, werden Goldadern bloßgelegt, die den
Vollwert des Künstlers und Menschen erwei-
sen. — Wesentlich verschieden ist der Ton mit
seinen beiden Kunstgenossen Kreidolf und Bal-
mer. Ernst Kreidolf ist der seiner Kunst und
seinem Herzen am nächsten und höchsten
stehende Künstlerfreund. „Du bist der einzige
auf der Welt, mit dem ich recht reden kann."
— Dieses Aussprechen, ein Bedürfnis für die
mitteilungsfrohe Natur Weltis und wesentlich
für seine geistig-künstlerische Veranlagung, hat
sich in tausend kleinen Dingen des Lebens und
der Kunst gegenüber Balmer und Kreidolf
Genüge tun können, wodurch das Bild von
Welti eine wundervolle Rundung und Wirkung
erhält. Kreidolf ist der Freund, zu dem der fast
gleichaltrige Welti mit grenzenlosem Vertrauen
und immer neuer Bewunderung seines eigen-
artigen Talentes emporsieht, Balmer der gute
Kamerad in Leben und Kunst, der die prakti-
schen Erfahrungen und die landsmannschaft-
lichen Empfindungen weitgehendst für sich hat
und dem Welti das krönende Schlußwerk seines
Schaffens vor seinem Scheiden vertrauensvoll
in die Hand legen kann. Kurz, dieser Brief-
band Weltis ist ein leuchtendes Dokument der
Freundschaft zwischen Männern, der seine Wir-
kung und seinen Wert nie verlieren wird, be-
wundernswert für seinen Urheber, ehrenwert
für die Empfänger, lichtvoll für die Menschen
und Verhältnisse der Zeit. Hier hat ein Künst-
ler neben seinem Lebenskunstwerk sich noch
für sein bürgerliches Leben ein ergreifendes
Denkmal der Ehre und Würde geschaffen, wie
es in unserer Zeit nur noch höchst selten wird
aufgestellt werden können. Jos. Aug. Beringer

HENRY THODE f

Am 10. November d. J. ist der bekannte ehemalige
Heidelberger Kunst- und Kulturhistoriker,
Geheimrat Henry Thode, einem längeren inneren
Leiden an seinem derzeitigen Aufenthaltsort in
Kopenhagen erlegen.

Mit Henry Thode scheidet aus dem deutschen
Geistesleben ein Charakterkopf von besonderer
Eindringlichkeit und ein Bekenner von seltenem
Mut und glühender Leidenschaft für die höchsten
Ideale künstlerischen Schaffens. Seine Gelehrten-
erscheinung vereinigte in sich eine eigentümliche
Mischung von philosophischem Weitblick, von
wissenschaftlicher Strenge und künstlerischer Frei-
heit. Eine seiner frühen und reizvollsten Arbeiten
— „Der Ring des Frangipani" — spiegelt diese
geistreiche Mischung von großem Blick und künst-
lerischer Formgestaltung aufs deutlichste wieder,
während sein epochemachendes Werk über „Franz
von Assisi und die Anfänge der Renaissance in
Italien" (1885) und seine rein kunsthistorische
Arbeit über die „Nürnberger Malerschule" (1891),
sowie das monumentale, zweibändige Werk über
„Michel Angelo" (1908) u.a.m. die philosophischen
und kulturgeschichtlichen Seiten seines Denkens
und Forschens dartun. Correggio und Tintoretto
galten weitere Studien. Die neuere Kunst hat
Thode unter den gleichen kulturhistorischen Ge-
sichtspunkten betrachtet wie die ältere, Böcklin,
Thoma und Richard Wagner, deren feuriger Apo-
stel und Vorkämpfer er war, hat er geistvolle und
eindringliche Betrachtungen gewidmet.

Dem Bayreuther Kreis war er seit seiner Ver-
ehelichung mit Daniela von Bülow zugehörig. Er
vertrat dessen Kulturideal nachdrücklich in Wort
und Schrift. Mit Thoma verband ihn ein Menschen-
alter lang innige und treue Freundschaft, die in
mannhaftem und unermüdlichem Eintreten für
dessen Kunst und in mehreren gemeinsam heraus-
gegebenen Werken ihren Ausdruck fand. Boecklin
und Thoma: Kunst, Kultur und Religion; Wie ist
Richard Wagner zu feiern; Schriften zur Heidel-
berger Schloßbaufrage u.a.m. ergänzen von dieser
Seite her sein Lebenswerk.

Thode ist am 13. Januar 1857 zu Dresden ge-
boren, studierte in Leipzig, Wien, Berlin und
München Kunstgeschichte, promovierte über Marc
Anton Raimondi, machte 1880 — 84 Studienreisen
nach Italien, Frankreich, England und den Nieder-
landen, habilitierte sich 1886 in Bonn, wurde 1890
Direktor des Staedelschen Kunstinstitutes in Frank-
furt a. M., von wo er 1894 als Professor für neuere
Kunstgeschichte an die Universität Heidelberg be-
rufen wurde. Hier wirkte er in seiner liebens-
würdigen und anregenden Art höchst erfolgreich
auf eine große Zuhörerschaft, die sich begeistert
um ihn scharte und in die Welt seiner Ideen und
Kunstideale eindrang.

1911 schied er aus seiner akademischen Stel-
lung, um in seiner Wahlheimat am Gardasee
sich und seinen Studien zu leben. Der Ein-
tritt Italiens in den Weltkrieg hat ihn in ge-
wissem Sinne heimatlos gemacht. Nach längerem
Aufenthalt in Wien ging er in die Heimat seiner
jungen Gattin nach Kopenhagen. Der Schmerz
über den Kriegsausgang und den kulturellen
Zusammenbruch Deutschlands, den er in seinen
letzten ungewöhnlich kämpferisch angelegten
Vorlesungen ahnend schon vorausgesagt hatte,
hat sein Leiden beschleunigt und seine Kraft ge-
brochen. Dr. J. A. Beringer

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