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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 36.1920-1921

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Beringer, Joseph August: Albert Welti nach seinen Briefen: II. Band
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https://doi.org/10.11588/diglit.14150#0134

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ALBERT WELTI NACH SEINEN BRIEFEN

II. BAND

Vor vier Jahren erschien der erste Band von
Albert WeltisBriefen.auf dieimXXXII. Jahr-
gang 1916/17 (Heft 33/14 und 15/16) dieser Zeit-
schrift hingewiesen wurde. Der vor kurzem er-
schienene zweite Band1) ist nur an drei Per-
sonen, an Weltis Mäzen Franz Rose-Doehlau,
an seine beiden Freunde Ernst Kreidolf und
an Wilhelm Balmer, gerichtet und umfaßt mit
seinen 365 Druckseiten im Menschlichen und
Künstlerischen, im Geschichtlichen und Persön-
lichen eine noch reichere und wertvollere Aus-
beute, als die 330 Seiten des ersten Bandes
bieten. Das rein Menschliche bei Welti steht
jetzt an erster Stelle. Der Künstler Welti steht
als Wertung in Kunst und Handel, im Gestal-
ten und Können ja ohnehin fest. Die auf seine
Kunst vertrauten, haben eine glänzende, rasche
Rechtfertigung erfahren. Wieder einmal beweist
sich, daß zu jeder währschaften Kunst das
Menschliche die unerläßliche Grundlage und
Vorbedingung ist. Welch ein Mensch und welch
ein Kind, was für ein Künstler und was für
ein guter, treuer, dankbarer Freund war Welti! —
Man liest diesen zweiten Band fast wie ein
Märchenbuch, und märchenhaft geht es schon
drin her. Diesem Märchen könnte man den Titel
geben: „Wie Welti seinen Rose fand", oder um-
gekehrt. Dem einen ist durch diese Begegnung
Leben und Entwicklung erleichtert, dem andern
Bedeutung und Nachruhm in der Kunst ge-
sichert worden. Beide haben füreinander ge-
lebt, aneinander gewonnen. Wie Welti das groß-
herzige Anerbieten Roses, der ihn beim Ko-
pieren eines Böcklinschen Bildes 1892 im Zü-
richer Künstlergütli getroffen hat und mit ihm
ins Gespräch gekommen war, nach etwa zwei-
jährigem Verkehr aufnahm, wie er das Eintre-
ten Roses in seine Lebensbahn empfand und
bis an sein Lebensende wertete, das sagen viele
Brief stellen. Zwei seien hier angeführt: 8. V. gs:
„Als wir Ihren lieben Brief bekamen, ist uns
beiden schier das Wasser in die Augen gestie-
gen. Mit warmem Dank nehme ich Ihr groß-
mütiges Anerbieten2) an. Ich habe schon lange
nicht mehr so fest und ruhig geschlafen, wie
in der Nacht nach Ankunft Ihres Briefes, der
mir fast wie eine überirdische Botschaft vor-
kam. Immer wieder muß ich an unser erstes
zufälliges Zusammentreffen (1892) denken dort

im Künstlergütli.....Ich hätte Ihnen gleich

nach Empfang Ihres Briefes geantwortet, denn

1) Briefe Albert Weltis. Eingeleitet und herausgegeben von
Adolf Frey. 2. Band. H. Haessel, Verlag, Leipzig ig20.

-) Rose zahlte Welti drei Jahre lang je 3000 M. und bekam
als Gegenleistung die fertigen Bilder und die 12 ersten Drucke
der Radierungen dieser Jahre.

natürlich waren ich und meine liebe „Alte"
keinen Augenblick unschlüssig; allein in den
ersten Stunden waren wir beide vor Glück so
närrisch, daß keines Worte gefunden hätte,
Ihnen zu danken." .... Dieses schöne Dankbar-
keitsgefühl, das während der 20 jährigen Ver-
bindung nie die leiseste Trübung, vielmehr
immer offenere und herzlichere Formen ange-
nommen hat, war immer von weihnächtlichem
Glanz umstrahlt, so wie Welti einmal schreibt:
„Bald wird es um Weihnacht sein und wir
werden daran denken, wem wir all das Glück
schuldig sind; was wäre wohl jetzt aus uns
geworden und was wäre das für eine Weihnacht,
wenn nicht ein guter Schutzengel in Ihrer Ge-
stalt zur rechten Zeit erschienen wäre und uns
auf Gefilde hinausblicken ließ, von denen wir
uns in den besten Zeiten nicht träumen ließen.
Wir möchten Ihnen wohl tief und herzlich da-
für danken." — Als beide, nachdem das „Geld-
verhältnis" infolge der Erfolge Weltis frei und
schön sich gelöst hatte, schwerleidend sich
schrieben, da hat Welti noch einmal ergreifende
Worte für das Freundschaftsverhältnis, indem
er kurz vor seinem Tode noch einmal Dank
und Schätzung in die Worte zusammenfaßt:
„Es scheint uns beiden schlecht zu gehen, und
wer weiß, wie bald wir ein fröhliches Wieder-
sehen in der ewigen Heimat zusammen feiern
können nach all dem Elend. Ich bin bereit
dazu und wünsche nichts weiteres mehr. Wir
haben ja auch viel Schönes erlebt auf der
Erde .... Ich habe die Wohnung in Bern ge-
kündigt auf November, habe noch nichts Neues,
„will" nach Zürich, Luzern oder Derenden.
Brauch's wohl nimmer. Tausend Grüße von uns
allen und vor allem von Ihrem treuen Albert
Welti, der Ihnen nochmals für alles dankt."
(Pfingstmontag 1912.) Rose war für Welti der
Mann tiefsten Vertrauens geworden, dem er
alle Leiden und Freuden, alle Stimmungen und
Überzeugungen anvertrauen und eines reinen
Widerhalles gewärtig sein konnte, vom ersten
Bekenntnis seines deutschen Fühlens und Den-
kens und Schaffens, als er stolz von Paris aus
schrieb: „anche noi siamo pittori" bis zu den
leidenschaftlichen Ablehnungen und Kampf-
rufen gegen den anmaßenden Ton, der vom
Welschland herüber in seine von ihm allzube-
scheiden eingeschätzten Arbeiten klang. „Einige
Welsche werfen mir vor, daß ich mich, wenn
auch nur äußerlich, an die alten deutschen
Meister anlehne. Auch die welschen Künstler
haben alle ein Vorbild, von dem sie ausgehen,
nur suchen sie es unter den modernen Künst-

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