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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 36.1920-1921

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Bredt, Ernst Wilhelm: Adolf Schinnerer
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https://doi.org/10.11588/diglit.14150#0271

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ADOLF SCHINNERER

DIE WEISSE MAUER

ruhe zu Trübner (1908—09). Der Villa-Romana-
Preis führt ihn auf ein Jahr nach Florenz
(igio). Die sonnige Luft mit der kalten Nadel
wiederzugeben, gelingt hier Schinnerer in er-
staunlich schlichter Weise. Dann führt er in
Mannheim Malereien in einer Kirche aus, geht
über Tennenlohe wieder nach München (1911).
Hier wird der Traum „Das geträumte Paar" zu
Formen überzeugenden Lebens — hier wird im
„Haus zum Silbernagel" das Kasernendasein in
Landshut zu einem künstlerischen Traum. —
Schweres hat Schinnerer in den Kriegsjahren
erlebt, wenn er auch nicht ins Feld gemußt.
Die satirischen Lithographien aus Erlebnissen
und Empfindungen der schweren Kriegszeit
sind nicht frisch-fröhliche Karikaturen — sind
vielmehr persönlichste Gestalten aus einer Seele,
die schwer sich durchringt aus all den häßlichen
Empfindungen über die Menschheit diesseits und
jenseits der Grenzpfähle. — Ein Einsamer, aber
ein Seher und Führer, fest und eigen in jeder Linie
und Gestalt, in Sehnen und Wirklichkeit. — Jetzt
lebt Schinnerer im Kreis seiner Familie in gar
schön gelegenem Heim über der Amper in
Ottershausen, im alten Land also der Maler
der Schleißheim-Dachauer Moose. Aber er

taucht seine Gestalten nicht in verschwommene
Nebel und sein Material ist nicht weiche Kreide,
die lieber malt als zeichnet. Sein Material ist
der Bleistift.

Mehr vom Leben und Werk Schinnerers gab
H. Hoehns Aufsatz in den Graphischen Künsten
1916. Auf das leider abbildungslose Verzeichnis
von Schinnerers Graphik (München 1915, Gra-
phik-Verlag), zu dem die Freunde des Künst-
lers, Dr. Ludwig Gorm und Dr. Hans M. Sauer-
mann, treffliche Einleitungen gegeben, weise
ich nachdrücklich hin. Wer endlich wissen will,
wie frei, fest und klar Schinnerer in das frühere
und gegenwärtige Kunstschaffen schaut, darf
nicht an seinem Aufsatz „Vergangenheit, Ge-
genwart und Zukunft" im ersten Heft von „Briefe
und Proben" 1919 (herausgegeben von Peter
Trumm, dem Künstler in München) vorüber-
gehen.

Es ist nicht jedem Künstler gegeben, so fein
und fesselnd sich mit der Feder zu äußern,
wie Schinnerer. Fast scheint die Feder leichter
die Worte zu finden, als der Griffel die For-
men und Gestalten. Aber ob Schrift, ob Bild,
es geht ein Zittern aus gewaltiger innerer Be-

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