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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 36.1920-1921

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Beringer, Joseph August: Ein neuer Schwarzwaldmaler
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https://doi.org/10.11588/diglit.14150#0339

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PAUL WEHRLE-TRIBERG

MOORGRUND

trächtlich erweitert hat, um dann gesättigt,
aber nicht umgeformt von Kultureindrücken
aller Art doch wieder in seine Heimat, den
Schwarzwald, zurückzukehren. Noch jung an
Jahren übernahm er die verantwortungsvolle
Pflicht, das väterliche Erbe zu verwalten. Sein
wohldiszipliniertes Wesen unterzog sich in voller
Beherrschung seiner Natur und seiner Aufgabe
auch diesen Obliegenheiten unter Zurückdrän-
gung der Ausbildung und Entwicklung seiner
künstlerischen Anlagen und Sehnsüchte. Durch
diese Zurückgehalten!] eit und Gebundenheit er-
klärt sich am ehesten und zutreffendsten die
geradezu explosive Entfaltung, wie die Eigen-
artigkeit seiner Kunst und die aus einem langen,
nachhaltigen Ringen mit den Bedingtheiten und
Unterlagen seiner Umwelt geborene Besonder-
heit ihrer technischen und geistigen Auswir-
kung. Für ihn, den einsamen Denker und Be-
schauer der kulturellen und künstlerischen Strö-
mungen, war jeder Anschluß an irgend eine
der zeitlich hochgekommenen Kunstrichtungen
geradezu ausgeschlossen. Ihm klang der Lärm
der Atelierstreitigkeiten nur von fern her. Sie
waren ihm unwichtig, weil Wehrle unabhängig
von den Forderungen des Lebens und seiner
Nöte sich entfalten und auswirken konnte.

Es ist sehr auffallend und merkwürdig, wie
Wehrle, nachdem er sich von seinen Lebens-
obliegenheiten frei gemacht und der Kunst zu-

gewandt hatte, mit unmittelbarem und untrüg-
lichem Instinkt gleich die seiner fein differen-
zierten Natur entsprechende Technik und wie
er ebenso sicher und unbeirrt den ihm gemäßen
Ausdruck für sein von der Natur gesättigtes
Wesen fand. Ein paar, der Materialbehand-
lung geltende Tastversuche mit wohlgelungenen
Bildniszeichnungen, und alsbald stand doch —
die Landschaft als das allernächst liegende Ar-
beitsfeld vor seinem mit Hochspannung ge-
ladenen Tätigkeitsdrang.

Die Stimmungslandschaft ist ein nach dem
Verinnerlichten und Vergeistigten hin verfeiner-
tes und verdichtendes Zweiggebiet der Natur-
darstellung: verfeinert, weil impressionistische
Elemente der Natur, wie atmosphärische Er-
scheinungen, Lüfte, Lichtwirkungen, Terrain-
bildung, Bodenplastik, Rhythmus und Dynamik
der Massen usw. auf die Möglichkeit ihrer Ver-
geistigung hin gesehen, angeordnet und aus-
gedrückt werden müssen ; verdichtend, weil die
in der Naturerscheinung ohnehin enthaltene
Geistigkeit der Erscheinungsformen und ihrer
Gruppierung gewissermaßen unterstrichen und
mit Betonung aus der Natur herausgehoben
werden. Die Eindrücke (Impressionen) der
Naturerscheinungen werden, nachdem sie durch
des Künstlers Seele hindurchgegangen sind, ihres
Nur-Naturseins entkleidet und in die Kunst-
form geprägt. Sie werden für den Künstler

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